Menschenrechte

Kathrin Henneberger tritt für Shahnewaz Chowdhury aus Bangladesch ein

Kathrin Henneberger hält ein Bild von Shahnewaz Chowdhury vor sich, auf dem er in ein Mikrofon spricht.

Kathrin Henneberger (Bündnis 90/Die Grünen) setzt sich im Patenschafts-Programm des Bundestages für Shahnewaz Chowdhury aus Bangladesch ein. (DBT/Stella von Saldern)

Bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen dem Ingenieur und Aktivisten Shahnewaz Chowdhury aus Bangladesch im Fall einer Verurteilung durch die dortige Justiz. Dabei hat er lediglich friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen und Kritik am Bau eines Kohlekraftwerks geäußert, erzählt die Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger (Bündnis 90/Die Grünen)

Um ihn zu unterstützen, setzt sich die Politikerin im Rahmen einer Patenschaft des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bundestages (PsP) für Chowdhury ein und fordert, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen wird. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International versuchen dem Bangladescher zu helfen und berichten über den Fall.

„Die eigene Meinung zu äußern darf kein Verbrechen sein“

„Die eigene Meinung zu äußern darf kein Verbrechen sein“, stellt Henneberger klar. Die Festnahme von Chowdhury sei „eine klare Verletzung seiner Rechte auf Freiheit und freie Meinungsäußerung“, wie sie internationale Menschenrechtsnormen „einem jeden und einer jeden auf der Welt“ zuerkennen. Auch Bangladesch habe sich der Achtung der Menschenrechte verschrieben, indem es beispielsweise dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen beigetreten sei. Sich zu öffentlichen Angelegenheiten zu äußern gilt demnach als freie Meinungsäußerung.

In einem Facebook-Artikel im Mai 2021 hatte Chowdhury gegen den Bau eines Kohlekraftwerks in seiner Heimatstadt Banshkhali Position bezogen, nachdem ein starker Sturm zahlreiche Häuser in der Region zerstört hatte. Das Kraftwerk sei umweltschädigend. Außerdem verurteilt er in dem Beitrag, dass bei Protestaktionen gegen Bau und Betrieb der Anlage mehrere Menschen durch Schüsse der Polizei zu Tode gekommen seien, und ruft Jugendliche dazu auf, sich „diesem Unrecht zu widersetzen“ und ohne Furcht ihre Meinung zu äußern.

Gesetz, um Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen

Das Unternehmen verklagte den Aktivisten und Ingenieur und ein Gericht in Banshkhali ordnete an, ihn zu inhaftieren, ohne einen Kautionsantrag zu akzeptieren. Ende Mai 2021 nahm die Polizei Chowdhury in seiner Wohnung fest. Zur Last gelegt wird ihm, gegen Bestimmungen des „Gesetzes über die digitale Sicherheit“ (Digital Security Act) verstoßen zu haben. Unter anderem erfülle sein Facebook-Post die Straftatbestände der Verbreitung von Falschinformationen, der Stiftung von Feindseligkeit, Unsicherheit und Unruhe sowie der Rufschädigung.

Dieses Gesetz, „eine Sammlung unpräziser Bestimmungen“, werde von den Strafverfolgungsbehörden Bangladeschs „dazu verwendet, abweichende, kritische Meinungen zum Verstummen zu bringen“, so Henneberger. Wie auch Amnesty International forderte die deutsche Politikerin von der Regierung in Dhaka, die Anschuldigungen gegen Chowdhury und weitere Aktivisten fallenzulassen und das Gesetz aufzuheben, da es internationalen Rechtsnormen entgegenstehe. Das ursprüngliche Gesetz war im August 2023 durch eine neues Gesetz, den „Cyber Security Act“, ersetzt worden, das jedoch bis auf wenige geänderte Punkte die Meinungsfreiheit genauso einschränke wie sein Vorgänger.

Zivilgesellschaft in Bangladesch für lokale Energiewende

Wenn von Bangladesch die Rede sei, dächten die meisten Menschen sofort an die Rolle des südasiatischen Landes als „Nähstube der Welt“, an die unfairen Arbeitsbedingungen in der dortigen Textilindustrie, gibt Henneberger zu, an Näherinnen, die in einer der tausenden Textilfabriken bis zu 15 Stunden täglich im Akkord Kleidung für den Weltmarkt produzierten, sowie an das Unglück von „Rana Plaza“, das vor zehn Jahren über tausend Menschen, überwiegend Textilarbeiterinnen, das Leben kostete. Nach der Volksrepublik China ist Bangladesch der zweitgrößte Bekleidungshersteller der Welt.

Doch das 170-Millionen-Einwohner-Land habe noch ganz andere Probleme, sei beispielsweise stark vom Klimawandel und damit einhergehenden, sich häufenden Naturkatastrophen, betroffen: von Wetterextremen wie Hitze, Sturm, Starkregen und einem Anstieg des Meeresspiegels. Überschwemmungen machten regelmäßig den tiefer gelegenen und dicht besiedelten Gegenden des Landes im Ganges-Delta zu schaffen. Viele Bewohner hätten dadurch bereits ihre Lebensgrundlage verloren.

Widerstand der Zivilgesellschaft

Während die klassischen Industrieländer für ihre historische Schuld an der Klimakrise einstehen und bei der Energieerzeugung umsteuern müssten, würden gleichzeitig in Schwellenländern wie Bangladesch neue Kohlekraftwerke und fossile Infrastrukturen, unter anderem mit finanzieller Unterstützung aus eben diesen Industrieländern, gebaut. Gemeinden, die noch nicht oder nur unzureichend elektrifiziert seien, versuchten das Problem mit Strom aus Kohlekraftwerken zu lösen.

Dagegen, wie auch gegen den Bau des Kraftwerks von Banshkhali, rege sich jedoch der Widerstand einer aktiven Zivilgesellschaft. „Teile der Gesellschaft wollen definitiv einen anderen Weg gehen und die Energieerzeugung dezentral und auf umweltfreundlichem Weg in die eigenen Hände nehmen“, erzählt Henneberger. Diese argumentierten wie Chowdhury: Die großen, kohlfressenden Anlagen bedrohten nicht nur lokale Naturreservate wie den zum Unesco-Weltnaturerbe zählenden Sunderbands-Nationalpark mit dem weltweit größten Mangrovenregenwald und laut Unesco einem der weltweit produktivsten natürlichen Ökosysteme, sondern auch die Gesundheit der Menschen vor Ort. Und sie trügen mit ihrem CO2-Ausstoß zur Verschlimmerung der Klimakrise bei.

Teil einer weltweiten Klimaschutzbewegung

Jede lokale Energiefrage und jedes lokale Engagement habe eben auch eine globale Dimension, so die Grünen-Abgeordnete, die für ihre Fraktion als ordentliches Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Ausschuss für Klimaschutz und Energie sowie im Unterausschuss für internationale Klima- und Energiepolitik sitzt und sich vor ihrer Zeit als Abgeordnete für das Ende des Braunkohletagebaus im Rheinland stark gemacht hat und Pressesprecherin des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ war. Genauso wie im Rheinland oder der Lausitz müsse man auch an anderen Orten auf der Welt die Kohleförderung und die Nutzung der Kohle als Energieträger beenden, macht sich Henneberger für eine globale Energiewende stark.

Dafür arbeite sie mit Politikerinnen und Politikern sowie Aktivistinnen und Aktivisten weltweit zusammen. Die Bewegung gegen die Kohleverstromung stelle sich genauso global auf wie es die Industrie tue, so die Rheinländerin. So sei ein deutsches Ingenieurbüro an der Planung des Kohlekraftwerks in Bangladesch beteiligt gewesen. Aktivisten, die sich für eine saubere Energieerzeugung einsetzten, bedürften hier wie dort der Anerkennung und Unterstützung. Zumal, wenn ihnen Unrecht widerfahre wie Chowdhury in Bangladesch.

Klimaschutz und Menschenrechte

Klimaschutz und die Achtung der Menschenrechte seien daher zwei Seiten ein- und derselben Medaille, gibt Henneberger zu bedenken. „Menschen die sich für Klimagerechtigkeit engagieren und deswegen zu Unrecht Repressionen erleiden, egal wo auf dem Globus, benötigen unsere Hilfe. Wir alle profitieren schließlich davon, wenn unsere Welt klimagerechter wird.“

Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages komme ihr eine besondere Verantwortung zu, sich für Menschen einzusetzen, die sich für eine „klimagerechte Zukunftsgesellschaft“ und gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke aussprechen, sagt Henneberger. Das tue sie durch ihre Arbeit in den Fachausschüssen, aber auch durch eine Patenschaft im PsP-Programm.

Harte Repressionen, Meinungsfreiheit unter Druck

Die Abgeordnete weist darauf hin, dass Aktivisten in anderen Ländern deutlich härtere Repressionen erleiden müssten als in Deutschland. „In Deutschland können wir uns mit den Instrumenten des Rechtsstaates wehren.“ Die Staatsanwaltschaft habe schließlich eine Unterlassungserklärung der Firma RWE gegen ihre Öffentlichkeitsarbeit kassiert, erzählt Henneberger. In Bangladesch müssten Regierungskritiker jedoch bereits für einen höflichen Post harte Repressionen bis hin zu Gefängnisstrafen fürchten.

Es gebe dort eine breite und lebendige Zivilgesellschaft, die sich für Klimaschutz und Gleichberechtigung einsetze. Aber sobald sich Akteure dieser Community öffentlich kritisch äußerten, gerieten sie ins Visier der Behörden, die sofort nach Anklagemöglichkeiten suchten. Das Gesetz über die Cyber-Sicherheit diene dabei als Universalinstrument. Offiziell verfüge Bangladesch über eine unabhängige Justiz. Aber diese mache sich allzu oft zum Gehilfen der Exekutive. Die Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit gerieten unter Druck. 

Der Fall von Chowdhury stehe beispielhaft für die Situation in Bangladesch und anderen Ländern mit autoritären Zügen. Dass sich der Ingenieur für den Klimaschutz einsetze, gelte es in einem solchen Fall von Menschenrechtsverletzung mitzudenken. Das Engagement Chowdhurys in seinem Land sei beispielhaft auch für die globale Zusammenarbeit für den Klimaschutz und die Durchsetzung alternativer Energieträger.

Patenschaft soll globales Interesse unterstreichen

Dass sie Shahnewaz Chowdhury als Bundestagsabgeordnete durch eine Patenschaft unterstütze, habe sie nun schon an mehreren Stellen kundgetan. Es gehe darum „öffentlich klarzumachen: Es handelt sich bei dem Aufbegehren gegen das Kraftwerk von Banshkhali nicht allein um eine lokale Angelegenheit, sondern es besteht ein globales Interesse an der Energiewende auch in Bangladesch sowie an der Einhaltung der Menschenrechte in dem Land“.

Sie kenne Chowdhury schon seit Längerem, habe ihn über die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kennengelernt. Die Patenschaft im Rahmen des PsP-Programms bestehe nun seit einem halben Jahr. Sie stehe mit Chowdhury in regelmäßigem Austausch, vor allem über die Möglichkeiten alternativer Energieerzeugung und das Thema Kohleausstieg. Nur mit einem Netzwerk vieler Menschen, die vor Ort an Lösungen arbeiteten, werde der Kampf gegen die Klimakrise gelingen, sagt Henneberger. (ll/21.12.2023)

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