Auswirkungen der Klimakrise auf die mentale Gesundheit
Zeit:
Montag, 19. Februar 2024,
17
bis 18.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 600
Ob hierzulande oder weltweit: Der Klimawandel, mit steigenden Temperaturen und Extremwetterereignissen, hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, körperlich und psychisch, direkt wie indirekt. Die individuellen und kollektiven Schäden durch Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen sind groß. Prävention ist darauf die beste Antwort, waren sich die Expertinnen im öffentlichen Fachgespräch des Unterausschusses Globale Gesundheit am Montag, 19. Februar 2024, einig.
Expertin: Emotionale Störungen bei jungen Leuten
„Die Klimakrise schadet in zunehmendem Maß der psychischen Gesundheit“, gab Lea Dohm von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) zu bedenken und veranschaulichte dies an dem Ahrtal-Hochwasser von 2021. Durch derartige Naturkatastrophen erlebten Anwohner nicht nur Stress, Schlafstörungen und Traumatisierungen. Viel schwerer würden die indirekten psychischen Folgen wiegen, beispielsweise durch das Erlebnis zerstörten Wohnraums. Auch die innere Auseinandersetzung mit solchen Ereignissen sei eine psychische Belastung. Es komme zu posttraumatischen Belastungestörungen, Ängsten, Depressionen. Zu den indirekten Folgen der Belastungen der voranschreitenden Klimakrise gehöre auch die Zunahme gesellschaftlicher Spannungen, „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.
Der Klimawandel, sei es als persönlich erlebtes Ereignis oder als Perspektive, führe vor allem bei jungen Leuten zu emotionalen Störungen. Wenn man es nicht therapiere, verursache das schwere Folgeschäden für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, so die Psychotherapeutin. 45 Prozent der in einer Studie der Universität Bath befragten jungen Erwachsenen zwischen 16 und 25 Jahren fühlten sich durch die Perspektive des Klimawandels in ihrer Alltagsbewältigung beeinflusst. Neben Flutkatastrophen ziehe auch Hitze ganz enorme psychische Folgen nach sich, individuell wie sozial. Aggressivität, Konflikte und Straftaten nähmen zu, unsere Denkleistung hingegen ab.
Ab Tag drei einer Hitzewelle komme es zu mehr Einweisungen in die Psychiatrie, die Suizidrate steige. Klimaereignisse wie das Ahrtal-Hochwasser verursachten nicht nur großes Leid bei Betroffenen und Angehörigen, sondern auch enorme volkswirtschaftliche Schäden. Psychische Erkrankungen zögen meist lange Arbeitszeitausfälle nach sich. Der psychiatrische und psychologische Versorgungsbedarf in der Region sei in den Jahren nach dem Unwetterereignis beträchtlich gewesen. Eine solche Lage komme mit vermehrten Extremwetterereignissen in großem Stil auf uns zu.
Fort- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen
Das beste Mittel dagegen sei, die Klimakrise zu bekämpfen. Die Politik müsse ihre Hausaufgaben machen, den Menschen gelte es zu vermitteln, dass jeder etwas tun könne, „angesichts der Krankheitslast, die auf uns zurollt“, müsse man mehr auf Prävention setzen, in den Gesundheitsberufen brauche es verstärkt Fort- und Weiterbildung.
Dohm warnte, die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zu unterschätzen. Insbesondere Risikogruppen wie Ältere oder Kinder würden Anpassungs- und Sicherheitsmaßnahmen missachten. „Die Menschen sterben und sehen nicht wie gefährlich es ist.“ Aber Anpassungsschritte ließen sich nicht unendlich fortschreiben. Man müsse das Konzept der Resilienz neu denken, seien doch der Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers natürliche Grenzen gesetzt. „Der Körper kann sich nicht unbegrenzt an Temperatur und Luftfeuchtigkeit anpassen. Resilienz und Anpassung muss daher immer mit transformatorischem Handeln einhergehen“, forderte Dohm. „Da stehen Sie in der Politik unter erheblichem Druck, weil das innerhalb kurzer Zeit geschehen muss“
WHO: Große Versorgungslücken in vielen Ländern
Die psychische Gesundheit, verstärkt durch den Klimawandel, werde bereits in zahlreichen Ländern zu einem immer dringlicheren Thema, sagte Dr. Lillia Dévora Kestel von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Eine Milliarde Menschen weltweit leiden unter psychischen Krankheiten, 100.000 würden pro Jahr durch Selbstmord sterben. In vielen Ländern gebe es große Versorgungslücken. Zu dem individuellen Leid kämen hohe volkswirtschaftliche Kosten, verlorenes Geld. Insgesamt werde zu wenig für den Bereich ausgegeben, um die Probleme anzugehen. Riesige Lücken klafften zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den Fähigkeiten der Gesundheitssysteme, damit umzugehen. „Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen die Probleme noch. Die Klimakrise hat direkte Auswirkungen auf das menschliche Leben und die psychische Gesundheit.“ Viele müssten ihren bisherigen Lebensort aufgeben, würden zur Migration gezwungen, sei es aufgrund eines Gewaltkonflikts, das Steigen des Meeresspiegels oder Nahrungsmittelknappheit.
Die Kosten und Schäden in dem Bereich würden weiter zunehmen, zu den besonders gefährdeten Gruppen gehörten Frauen, Kinder und indigene Bevölkerungsgruppen. Die WHO sei mittlerweile sehr aktiv in diesem Bereich, habe neue Ziele gesteckt, erhebe Daten, biete Informationen, Workshops sowie Zugang zu Orientierung und Unterstützung und fordere den Aufbau von Kapazitäten. Es gebe einen „Mental health action plan“. 80 Prozent der Mitgliedstaaten hätten sich demnach bereits verpflichtet, psychosoziale Unterstützung in ihre Katastrophenschutzpläne einzubeziehen.
Im jüngsten „World mental health Report“ werde der Klimawandel als eine Bedrohung für die psychische Gesundheit explizit erwähnt. Kessel forderte, es müsse nun darum gehen, die Bedrohung der mentalen Gesundheit durch den Klimawandel als Querschnittsthema in Klimaschutzmaßnahmen einzubetten, dabei auf bestehenden Vereinbarungen wie den Gesellschaftlichen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen oder dem Pariser Abkommen aufzubauen, die Gesundheitssysteme zu ertüchtigen und die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. (ll/19.02.2024)