Auswärtiges

Fraktionen würdigen Europarat zum 75. Jubiläum

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat 75 Jahre nach der Gründung des Europarats zur Verteidigung der Werte der ersten großen europäischen Nachkriegsorganisation aufgerufen. Die Existenz des Europarates sei „ein Grund zur Freude, ein Grund zu tiefer Dankbarkeit und ein Grund, der uns verpflichtet“, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag in einer Vereinbarten Debatte zum 75. Jahrestag der Organisation am Donnerstag, 16. Mai 2024. 

Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 von zehn Staaten als erste europäische Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Ziel war es, Frieden, Demokratie und Stabilität in Europa wiederherzustellen. Heute gehören 46 Staaten zu den Mitgliedern des Europarates, darunter die 27 EU-Mitgliedstaaten. Alle europäischen Flächenstaaten sind im Europarat vertreten – außer Kosovo, Belarus sowie Russland, das am 16. März 2022 ausgeschlossen wurde. Deutschland trat dem Gremium am 14. Juli 1950 zunächst als assoziiertes Mitglied bei und wurde im Mai 1951 vollberechtigtes Mitglied.

Ministerin: Europäischer Gerichtshof war eine Revolution

Deutschland sei „in Europa und durch Europa als Demokratie erwachsen geworden“. Man stehe heute auf einem starken Fundament gemeinsamer Regeln und Werte mit Institutionen wie dem Europarat, „die uns dazu bringen, uns selbst als Demokratien immer wieder zu überprüfen“. Dazu gehöre der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), vor dem fast 700 Millionen Menschen ihre Rechte gegen ihren Staat einklagen könnten. 

Die Einrichtung dieses Gerichtshofes 1959 sei eine „Revolution“ gewesen, denn darin spiegele sich ein neues Verständnis im Verhältnis von Staat und Individuum wider: „Die Überzeugung, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat, egal welches Geschlecht, egal welcher Herkunft oder welcher Religion, und dass ein Staat zur Rechenschaft gezogen werden kann“, sagte Baerbock. „Das ist die Kraft, die in den Instrumenten des Europarats liegt.“

CDU/CSU: Europarat als Vorraum für EU-Mitgliedschaft

Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) würdigte den „Vertrauensvorschuss“, den die Gründungsmitglieder Deutschland bei der Aufnahme 1950 gewährt hätten – als ein Land, „das so viel Schuld, zwei Weltkriege und einen Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas auf sich geladen“ hatte. 

Heute sei der Europarat auch ein Vorraum für eine Mitgliedschaft in der EU, in dem Länder an Rechtsstaatlichkeit und parlamentarische Demokratie herangeführt würden. „Hier müssen wir auch immer klar sein“, sagte Wadephul mit Blick auf EU-Beitrittskandidat Georgien. Dessen soeben beschlossenes Gesetz zum Umgang mit Nichtregierungsorganisationen „verbaut Georgien nicht nur den Weg in die Europäische Union, es widerspricht auch allen Werten des Europarates“. 

SPD: Europarat ist Vorbild weltweit

Auch Frank Schwabe (SPD) wurde deutlich in diesem Punkt: Wenn man Mitglied sein wolle des Europarates und eines Tages auch der EU, dann müsse man sich and die Grundideen dieser Institutionen halten. Damit sei jedenfalls nicht vereinbar, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen einzuschränken: „Lasst das, kommt zurück auf den europäischen Weg!“ Der Europarat sei im Übrigen die „tollste, größte und beste Menschenrechtsorganisation und Organisation für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa“ und Vorbild weltweit, sagte Schwabe.

„Und deshalb müssen wir diese Institution in Ehren halten und pflegen, so gut wir es können.“ 676 Millionen Menschen könnten sich durch den Europarat mit dem EGMR an eine höhere Instanz wenden als die letzte juristische Instanz auf nationaler Ebene: „Das ist doch etwas Unglaubliches“. Schwabe warb dafür, dass noch fast 200 weitere Millionen Menschen in Europa hinzukommen, als nächster Schritt etwa durch den Beitritt Kosovos zum Europarat.

AfD beanstandet Unabhängigkeit des Gerichtshofs 

Nicole Höchst (AfD) lenkte den Blick auf einen Bericht des European Center for Law and Justice, der Grund zu massiver Beanstandung der Unabhängigkeit des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebe. Hier sei „weiß Gott nicht alles Gold, was glänzt“. So reichten Nichtregierungsorganisationen durch die Lebensläufe einiger Richter in den Gerichtshof hinein.

Höchst nannte in diesem Zusammenhang die Open Society Foundations von George Soros: „Ich empfehle dringend jedem Parlamentarier, aber auch jedem Bürger, nachzuvollziehen, wer wem wofür wie viel Geld mit welchem Ziel gibt.“ Die AfD fordere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ohne „mehr oder wenige subtile Einflussnahme von Mitgliedern der Hochfinanz“. 

FDP: EGMR ist ein Kronjuwel für den Rechtsstaat

Michael Georg Link (FDP) widersprach: „Wir wählen diese Richter in der Parlamentarischen Versammlung selbst, und es liegt an uns, dort genau hinzuschauen.“ Der EGMR sei ein „Kronjuwel für den Rechtsstaat in Europa“. Link lenkte den Blick zudem auf die Konvention zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Verhältnis zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat, die der Europarat in Abstimmung mit einer Reihe von demokratischen Partnerländern und der EU gerade auf den Weg bringen wolle.

„Das ist ein ganz entscheidendes Stück Regulierung von Demokratien in einer Zeit, in der autoritäre Staaten und Diktaturen versuchen genau diese Dinge wie KI gegen uns einzusetzen.“ Normsetzung im 21. Jahrhundert gehe nur gemeinsam unter Demokratien, sagte Link. „Genau das macht der Europarat.“ 

Bundestag hebt Immunität von Petr Bystron auf

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas unterbrach die Beratung zum Europarat kurzzeitig, um einen weiteren Punkt auf die Tagesordnung zu setzen: die Abstimmung über eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zum Antrag auf Genehmigung zum Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gegen den AfD-Abgeordneten Petr Bystron (20/11396). 

Bei Enthaltung der AfD nahm das Parlament die Empfehlung des Ausschusses an und erteilte damit die Genehmigung gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 10. Mai 2024 – II B 1 – 1044 / 1E (0) - 21 9 / 2024 – und vom 15. Mai 2024 – II B 1 – 1044 / 1E (293) - 21 7 / 2024. (ahe/irs/16.05.2024)

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