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Bundestagspräsidentin Julia Klöckner würdigt verstorbenen Papst Franziskus

Mit tiefem Bedauern haben wir vom Tod dieses außergewöhnlichen geistlichen Oberhaupts erfahren, der mehr als ein Jahrzehnt lang an der Spitze der römisch-katholischen Weltkirche stand. Als erster lateinamerikanischer Papst hat Franziskus die Herzen von Katholikinnen und Katholiken und unzähliger Nicht-Katholiken berührt. Im Namen des Deutschen Bundestages verneige ich mich in Trauer und Respekt vor dem Lebenswerk dieses Papstes.

Bereits in den ersten Momenten seines Pontifikats zeigte sich, dass dieser Papst anders sein würde: Franziskus wollte nah bei den Menschen sein, sprach in einfachen Worten und verzichtete auf übermäßigen Pomp. Mit den demütigen Worten „Fratelli e sorelle, buonasera! – Brüder und Schwestern, guten Abend!“ begrüßte er die Welt auf der Loggia des Petersdoms. Sein schlichtes Weiß, ohne Prunkgewänder, und seine Entscheidung, lieber im Gästehaus Santa Marta zu wohnen als im apostolischen Palast, symbolisierten Bescheidenheit und neue Nähe. Papst Franziskus war ein Pontifex, der die Kirche gleichsam „wieder auf die Erde holte“ – ein geistliches Oberhaupt, das Erdung und Menschlichkeit lebte.

Stimme der Menschlichkeit und des Gewissens

Franziskus war eine Stimme der Menschlichkeit und des Gewissens in einer Zeit großer globaler Umbrüche. Seine Demut – sichtbar in einfachen Gesten, in der persönlichen Zuwendung zu Kranken und Armen – machte ihn glaubwürdig als Autorität des Mitgefühls und der Gerechtigkeit weit über die Grenzen seiner Kirche hinaus. Als Hüter der Lehren seiner Kirche scheute Franziskus nicht davor zurück, diese Lehren im Licht der Gegenwart neu zum Leuchten zu bringen. Er betonte die Barmherzigkeit über die Dogmatik, streckte Ausgegrenzten die Hand entgegen und verkörperte jene cultura del encuentro, die Kultur der Begegnung, für die er stets eintrat. 

Schon mit der Wahl seines Namens – Franziskus, nach dem Heiligen aus Assisi – gab Jorge Mario Bergoglio ein Programm vor: Er wollte ein „Papst der Armen“ sein, der Schwachen, der Vergessenen, der Vertriebenen. Dieses Versprechen hat er eingelöst. In seinem ganzen Pontifikat erhob er die Stimme für diejenigen, die keine Stimme haben: die Kinder in den Elendsvierteln, die Alten und Einsamen, die Opfer von Hunger, Ausbeutung und Menschenhandel.

Franziskus baute Brücken der Versöhnung

Papst Franziskus verstand es in einzigartiger Weise, Brücken zu bauen – zwischen Religionen, Kulturen und verfeindeten Parteien. Von Anfang an lag ihm der interreligiöse Dialog am Herzen. Er suchte die Begegnung mit anderen christlichen Konfessionen ebenso wie mit den Weltreligionen außerhalb des Christentums. Den jüdisch-christlichen Dialog förderte er mit warmherziger Freundschaft; zugleich streckte er die Hand aus zu den Muslimen, zu Hindus, Buddhisten und allen Menschen guten Willens. 

Unvergessen bleibt das historische Dokument der Brüderlichkeit, das er gemeinsam mit einem Großimam unterzeichnete – ein Zeichen dafür, dass dieser Papst die Geschwisterlichkeit aller Menschen über Religionsgrenzen hinweg betonte. Er verkörperte die Hoffnung, dass Religion nicht trennen, sondern verbinden kann. Durch sein Beispiel und seine Worte wurden Vertrauen und Verständnis zwischen den Glaubensgemeinschaften gestärkt. Er baute Brücken der Versöhnung, wo vorher Gräben des Misstrauens waren, und war somit tatsächlich ein globaler Brückenbauer, wie wir ihn nur selten erleben durften. Weltpolitisch bedeutsam bleibt seine Rolle bei der Annäherung zwischen den USA und Kuba: Franziskus förderte diskret den diplomatischen Tauwetter-Prozess zwischen Washington und Havanna und wurde zu einer Schlüsselfigur jener historischen Versöhnung. Sein unermüdlicher Einsatz für Frieden und Versöhnung wird in die Geschichte eingehen.

Mit dem Tod von Papst Franziskus verliert die Welt eine herausragende Persönlichkeit – einen großen Papst, einen umsichtigen Hirten und einen mutigen Erneuerer. Franziskus hat die Kirche erneuert, ohne ihre Wurzeln zu kappen; er hat Brücken gebaut, ohne Unterschiede zu verleugnen; er hat gemahnt und ermutigt, getadelt und getröstet. Er war geistliches Oberhaupt, moralische Instanz und wahrhaft ein globaler Brückenbauer. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. (21.04.2025)