Gesundheitssystem soll weiter umfassend reformiert werden
Das Gesundheitssystem muss nach übereinstimmender Auffassung von Regierung und Opposition weiter umfassend reformiert werden, um die Versorgung in hoher Qualität und zu vertretbaren Kosten langfristig zu sichern.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) skizzierte am Donnerstag, 15. Mai 2025, im Bundestag ihre Pläne für die nächsten Jahre und signalisierte mit Blick auf die prekäre Finanzlage der Kranken- und Pflegeversicherung ihre Bereitschaft, zügig zu handeln. Auch die Opposition sieht dringenden Handlungsbedarf in vielen Bereichen der Gesundheitspolitik.
Warken: Modernes, leistungsfähiges Gesundheitssystem
Warken sagte in ihrer ersten Bundestagsrede als Bundesgesundheitsministerin, die neue Koalition von Union und SPD wolle das Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems stärken. Es gelte, Missstände zu verhindern, etwa lange Wege zum Krankenhaus oder zu Apotheken. Im Kern gehe es darum, eine gute, bedarfsgerechte und bezahlbare Gesundheitsversorgung zu sichern. Sie räumte ein, dass die Herausforderungen in Gesundheit und Pflege gewaltig sind und benannte ineffiziente Strukturen oder die fehlende Nachhaltigkeit in der Finanzierung sowie ein Übermaß an Bürokratie.
Warken versicherte: „Wir wollen alles tun, um das Gesundheitssystem besser zu machen.“ Die Versicherten hätten Anspruch auf ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitssystem. Sie wolle sich bei den Reformen auch an den Beschäftigten orientieren, damit die Arbeit effektiver gestaltet und Patienten besser versorgt werden könnten. Zudem solle die Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten gestärkt werden. Gerade den Pflegekräften müsse die Möglichkeit gegeben werden, ihre Stärken einzubringen. „Wir können es uns nicht leisten, viele Kompetenzen in der Pflege ungenutzt zu lassen.“
Vorschläge für Pflegereform in Arbeit
Die von ihrem Amtsvorgänger Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) umgesetzte Krankenhausreform soll ebenso weiterentwickelt werden wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Auch die Reform der Notfallversorgung soll rasch angegangen werden. Ein weiteres Ziel sei die bessere Patientensteuerung in der ambulanten Versorgung. Eine Kommission solle überdies Vorschläge unterbreiten, um die Beiträge der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) langfristig zu stabilisieren. Warken fügte offenbar in Anspielung auf den akuten Finanzengpass im Gesundheitsfonds hinzu, es gehe aber nicht ohne kurzfristige Maßnahmen.
Das gelte auch für die Pflegeversicherung. „Die angespannte Finanzsituation erfordert ein mehrgleisiges Herangehen.“ Kurzfristig wolle sie Vorschläge vorlegen, um der Pflegeversicherung über den Jahreswechsel hinaus Spielraum zu verschaffen. Mittel- und langfristig würden andere Lösungen gebraucht. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe solle noch in diesem Jahr Vorschläge für eine große Pflegereform erarbeiten. Ein Ziel sei, für die zuletzt rasant gestiegenen Eigenanteile der Pflegebedürftigen eine Lösung zu finden.
AfD bemängelt Hausärztemangel
Der AfD-Gesundheitspolitiker Martin Sichert warf Union und SPD vor, das Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren systematisch ruiniert zu haben. Er kritisierte, der Regierung sei offenbar die Heilfürsorge für Asylbewerber wichtiger als die Versorgung der eigenen Bevölkerung. Gesundheitspolitik sei für den neuen Kanzler Friedrich Merz (CDU) offenkundig nachrangig, etwa gegenüber der Europapolitik. Er kritisierte, dass Vorschläge einer geplanten Expertenkommission zur langfristigen Finanzierung der GKV erst 2027 kommen sollen. „Union und SPD bilden eine Stillstandskoalition.“
Sichert stellte auch infrage, ob Warken überhaupt die notwendige Kompetenz für das Ministeramt mitbringe. Sie habe vorher nie etwas mit Gesundheitspolitik zu tun gehabt. Er warnte, das Gesundheitssystems stehe mit dem Rücken zur Wand, hier sei Kompetenz gefragt. Als ein Problem benannte der AfD-Politiker die teils langen Wartezeiten für gesetzliche Versicherte auf Facharzttermine. Diese Termine seien heute das, „was in der DDR Bananen waren“. Es gebe zu wenig Hausärzte, Krankenhäuser seien von Schließung bedroht. Die AfD sei bereit, echte Reformen mitzutragen, wenn es nicht nur um die Interessen der Pharmaindustrie gehe.
SPD: Keine Einschnitte bei den Leistungen
Dagmar Schmidt (SPD) betonte, es sei eine fundamentale Frage der Gerechtigkeit, allen Menschen einen gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Viele Versicherte seien auch bereit, höhere Beiträge zu zahlen, wenn die Leistungen gut und gerecht ausfielen.
Doppeluntersuchungen und eine Patientenfehlsteuerung seien nicht gut im System. Auch die Wartezeiten auf einen Facharzttermin nannte sie nicht akzeptabel. Sie fügte zudem hinzu: „Es darf keine Einschnitte bei den Leistungen geben.“
Grüne fordern „Finanzspritze von 800 Millionen Euro“
Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) forderte die Ministerin auf, die Finanzfragen in der Kranken- und Pflegeversicherung zügig anzugehen und sicherte die Unterstützung seiner Fraktion bei Reformen zu. Viele Menschen schauten mit großer Sorge auf die aktuelle Lage. Dem Gesundheitsfonds sei das Geld im Mai schon ausgegangen, eine vorzeitige Finanzspritze von 800 Millionen Euro sei notwendig geworden. Die GKV sei selbst zum Notfallpatienten geworden, sagte Dahmen und fügte hinzu: „Es ist mit Finanzspritzen allein nicht getan, um diesem chronisch kranken Patienten zu helfen.“ Nötig seien umfassende Strukturreformen.
Der Grünen-Politiker warnte, schon in der kommenden Wahlperiode könnten die Sozialversicherungsbeiträge auf über 50 Prozent klettern. Mit Reformen müsse mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität erreicht werden, dabei dürfe es keine Verzögerungen geben. Allein mit der geplanten Notfallreform ließen sich pro Jahr drei Milliarden Euro einsparen. Wichtig sei auch eine effizientere Patientensteuerung mit hausarztzentrierter Versorgung. Er forderte Warken auf: „Warten Sie nicht auf Kommissionen, handeln Sie jetzt mutig.“
Linke: Gesundheit ist keine Ware
Die Kinderkrankenschwester Julia-Christina Stange (Die Linke) berichtete von schwierigen Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen und „endlosen Überstunden“. Sie forderte zügige Innovationen, denn die Zeit dränge. „Wir brauchen keine wohlklingenden Phrasen, sondern eine Revolution.“ Das Gesundheitssystem sei teuer, aber nicht alle Versicherten würden gleich gut versorgt.
Hausärzte seien überlastet. Ohne echte Investitionen seien weder eine gute Versorgung noch gute Arbeitsbedingungen zu bekommen. Das Gesundheitssystem orientiere sich zu sehr am Markt, Gesundheit sei aber „keine Ware, und die Beschäftigten sind kein Kostenfaktor.“
Union: Unnötige Bürokratie streichen
Simone Borchardt (CDU/CSU) betonte, das Gesundheitssystem sei eine Säule der Demokratie und spiele in ganz viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Nötig sei ein systematischer Blick auf die Versorgung und Finanzierung.
Geld und Ressourcen müssten zielgerichtet eingesetzt werden. Es gelte, unnötige Bürokratie zu streichen. Sie mahnte, die Pflege dürfe nicht das Schlusslicht sein, das sei ein zentraler Versorgungsbereich. (pk/15.05.2025)