Beziehungen zu USA vor Merz-Reise umstritten
Einen Tag vor dem Zusammentreffen von Bundeskanzler Friedrich Merz mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus ist der richtige Umgang mit der amerikanischen Regierung zwischen Regierung und Opposition, aber auch zwischen den einzelnen Oppositionsfraktionen umstritten. Dies zeigte sich bei einer Aktuellen Stunde zur Lage der transatlantischen Beziehungen am Mittwoch, 4. Juni 2025.
CDU/CSU: Gemeinsame Interessen suchen
Immer wieder wurden in dieser Debatte die Verdienste der USA um Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg beschworen. „Wir alle säßen nicht hier, ich stände nicht hier, wenn es nicht die USA gegeben hätte“, sagte Auftaktredner Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU), und Stephan Mayer (CDU/CSU) befand, „dass uns nach wie vor mehr vereint als trennt“.
Röttgen nannte es „großartig“, dass Merz schon so bald nach Amtsantritt von Trump empfangen wird. Aufgabe sei es nun, Übereinstimmungen zwischen deutschen beziehungsweise europäischen und amerikanischen Interessen zu finden, sagte Röttgen. Dies gelte vor allem für die Sicherheits- und die Handelspolitik. Sicherheitspolitisch sei es im eigenen europäischen Interesse, unabhängiger und selbständiger zu werden. Handelspolitisch gebe es für Deutschland außerhalb der EU keinen wichtigeren Partner als die USA, und das gemeinsame Interesse beider müsse sein, dass nicht am Ende ihres Handelskonflikts China der Gewinner ist.
SPD beschwört langfristige Bindungen
„Wir sollten nicht so hochnäsig auf Amerika schauen“, riet Dr. Ralf Stegner (SPD). Die amerikanische Demokratie sei „deutlich stabiler, als wir manchmal tun“. In der außenpolitischen Debatte müsse man unterscheiden zwischen Ländern und ihren jeweiligen Regierungen. An den Bundeskanzler appellierte Stegner, sich gegen Einmischungen der US-Regierung in die deutsche Innenpolitik zu verwahren.
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Metin Hakverdi (SPD), hob hervor, dass es, angefangen bei der amerikanischen und französischen Revolution, nie eine einheitliche Vorstellung von Meinungsfreiheit und sozialer Gerechtigkeit zwischen den USA und Europa gegeben habe. „Grundlegende Tatsache“ sei aber die Wertegemeinschaft beider. Diese allerdings „wäre in Frage gestellt, wenn uns abgesprochen wird, Demokratien zu sein“.
AfD teilt Trumps Kritik an Europa
Markus Frohnmaier (AfD) sieht den Besuch des Bundeskanzlers im Weißen Haus durch dessen Aussagen im Vorfeld der US-Wahl belastet. Merz habe Trump damals „als Gefahr für die Demokratie bezeichnet“. Andere wie CSU-Chef Markus Söder und der jetzige Außenminister Johann Wadephul hätten sich explizit für dessen Gegenkandidatin Kamala Harris von den Demokraten ausgesprochen.
Nach den Worten von Beatrix von Storch (AfD) bietet die Präsidentschaft Trumps die Chance, die transatlantische Partnerschaft „auf ein neues Fundament zu stellen“, mit der Stärkung des Nationalstaats anstelle „undemokratischer“ multinationaler Organisationen und Meinungsfreiheit statt Internetzensur. Jetzt sei ein „neuer Westen“ im Entstehen, befand Storch und appellierte an die Unionsparteien, zu entscheiden, „ob sie zum neuen oder zum woken Westen gehören wollen“.
Grüne warnen vor „Anbiederei“
Demgegenüber nannte Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen) die Nachrichten aus den USA der letzten Monate „verheerend“. Leider scheinen aber die Bundesregierung und beide Koalitionsfraktionen „weiterhin die Augen vor der Realität zu verschließen“.
Ihre Fraktionskollegin Agnieszka Brugger warf Kanzler Merz und Außenminister Wadephul vor, „unterwürfig“ gegenüber Trump aufzutreten. Statt „Anbiederei“ müsse die EU „Abhängigkeiten reduzieren“, um „nicht erpressbar zu sein“.
Linke: Merz soll sich für Abrüstung einsetzen
Noch deutlicher ging Sören Pellmann (Die Linke) auf Distanz sowohl zur Regierung Trump als auch zur Haltung der Bundesregierung ihr gegenüber. Merz schweige „auffällig“ zu Angriffen der US-Regierung auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in den USA. Und er unterstütze das Ziel, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Rüstung auszugeben, statt an die Traditionen der Ostpolitik von Abrüstung und Rüstungskontrolle anzuknüpfen, warf Pellmann dem Kanzler vor.
Pellmann nannte „die Strategie, Kiew bis zum Sieg zu bewaffnen“, „offensichtlich nicht erfolgreich“. Merz solle deshalb Trump vorschlagen, Russland als Gegenleistung für einen Abzug aus besetzten Gebieten die Wiedereinsetzung von den USA gekündigter Abrüstungsverträge anzubieten. (pst/04.06.2025)