Fraktionen debattieren über queerfeindliche Hasskriminalität
Der Bundestag hat am Donnerstag, 26. Juni 2025, erstmals einen Antrag mit dem Titel „Queerfeindliche Hasskriminalität wirksam bekämpfen und die rechtliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie anderen queeren Personen (LSBTIQ-Personen) beenden“ (21/580) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beraten. Im Anschluss der Aussprache wurde der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Fast alle Fraktionen verurteilten dabei die gewaltsamen Übergriffe von Rechtsextremisten auf Veranstaltungen der queeren Community in den vergangenen Wochen, wie verschiedenen CSDs (Christopher Street Day) in mehreren deutschen Städten.
Grüne: Kritik an der Bundestagsverwaltung
Nyke Slawik (Bündnis 90/Die Grünen) appellierte an die Abgeordneten: „Dass queere Menschen und die Versammlungsfreiheit angegriffen werden, sind unhaltbare Zustände. Schauen Sie nicht weg! Denn ein Angriff auf einen CSD ist immer auch ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere Freiheit.“
Auch die Debatte über das Hissen der Regenbogenfahne am Tag der Berliner CSD-Parade Ende Juli griff sie auf. In einer Zeit, in der queere Menschen weltweit massiven Angriffen ausgesetzt seien, sei die „Rolle rückwärts“ der Bundestagsverwaltung, die Fahne, wie in den vergangenen zwei Jahren geschehen, nicht mehr zu hissen, ein „fatales Signal“, kritisierte Slawik. „Wir werden uns den Regenbogen nicht verbieten lassen!“, sagte sie kämpferisch.
CDU/CSU: Bei Speicherung von IP-Adressen vorankommen
Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) verwies darauf, dass sich die Straftaten gegen queere Menschen seit 2010 verzehnfacht hätten und 40 Prozent der Community ihre sexuelle Identität aus Angst vor Gewalt nicht offen ausleben würden. „Wir leben in einem freien Land, aber diese Menschen sind nicht frei“, betonte er. Er forderte „starke Signale“ von der Politik, ob die Diskussion über die Fahne auf dem Bundestag dazu gehöre, bezweifelte er.
Noch wichtiger sei „konkrete und wirksame Politik. Wir brauchen Gesetze!“, forderte er und warf den Grünen Scheinheiligkeit vor. Denn diese würden seit Jahren die Speicherung von IP-Adressen blockieren, dabei könne man genau damit wirksamer gegen Hass und Kriminalität im Netz vorgehen, so der Unionsabgeordnete.
AfD: Grünen wollen einen repressiven Staat
Fabian Jacobi (AfD) übte heftige Kritik an den Grünen. Diese würden anscheinend „Sehnsucht nach der DDR“ haben, unterstellte er den Antragstellern. Er bezog sich dabei unter anderem auf grüne Forderungen nach einer Meldestelle für Hasskriminalität, die er mit dem System der Denunziation der Staatssicherheit der DDR gleichsetzte.
Deutlich ablehnend zeigte er sich auch gegenüber der Forderung nach einer Grundgesetzänderung, denn dann würde eventuell auch das sexuelle Interesse an Kindern geschützt, so Jacobi. Für diese Bemerkung erntete er heftige Zwischenrufe aus den Reihen der Grünen.
SPD: Wir müssen als Politik jetzt Haltung zeigen
Carmen Wegge (SPD) sagte: „Wir erleben gesellschaftlich einen massiven Rückschritt. Um so wichtiger ist es, dass wir als Politik nun Haltung zeigen!“ Auch sie kritisierte die Fahnen-Entscheidung der Bundestagsverwaltung: „Diese Entscheidung ist falsch und sie sendet ein fatales Signal. Wer sich sichtbar für verfassungsgemäße Rechte einsetzt, handelt nicht parteipolitisch. Der Staat darf bei Menschenfeindlichkeit nicht neutral sein“, so Wegge.
Sie bekräftigte außerdem, dass sich ihre Fraktion für eine Reform des Abstammungsgesetzes und eine Reform des Grundgesetzes stark machen werde.
Linke: Gewalt beginnt bei queerfeindlicher Sprache
Maik Brückner (Die Linke) betonte: „Queere Menschen sind besonders häufig von Armut, Wohnungslosigkeit, psychischen Belastungen und Gewalt betroffen.“ Diese Gewalt beginne mit Worten, sagte er an die AfD-Fraktion gerichtet, die er heftig für deren Positionen zum Thema kritisierte: „Wenn Parteien wie die AfD queerfeindliche Sprache normalisieren, dann braucht es niemanden mehr, der zur Gewalt aufruft.“
Wenn die Freiheit queerer Menschen bedroht sei, sei die Freiheit der Gesellschaft insgesamt bedroht, „wenn sich queere Menschen verstecken müssen, dann versagt die Demokratie an einer ihrer empfindlichsten Stellen, beim Schutz der Würde jedes Einzelnen“, sagte Brückner.
Antrag der Grünen
Die rechtsextremistisch motivierten Bedrohungen queerer Menschen verfolgten das Ziel, eine ganze Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern, queere Menschen wieder in die Unsichtbarkeit zu treiben und sie an der Wahrnehmung ihrer Grundrechte zu hindern, schreiben die Grünen. „Staat und Gesellschaft sind aufgefordert, diesen Angriffen auf die Sicherheit und die Grundrechte queerer Menschen überall klar und entschieden entgegenzutreten“ fordern sie. Weiter heißt es: „Es ist daher sehr zu bedauern, wenn sich einzelne Unternehmen politischem Druck beugen und sich aus dem Sponsoring von CSDs zurückziehen, was auch die Finanzierung und Durchführung der Veranstaltungen selbst unter Druck setzt.“
Sie verlangen von der Bundesregierung unter anderem, in Zusammenarbeit mit den Ländern CSD-Demonstrationen vor Gewalt und Hetze zu schützen. Dies soll durch die Sensibilisierung von Sicherheitsbehörden und die Entwicklung von effizienten Schutzkonzepten gewährleistet werden. Die Empfehlungen des Arbeitskreises zur „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ im Auftrag der Innenministerkonferenz müssten umgesetzt und eine bundesweite Meldestelle für queerfeindliche Straftaten eingeführt werden, um LSBTIQ-feindliche Hasskriminalität besser zu erfassen, fordern die Grünen. Ferner müsse die Regierung sich dafür einsetzen, den Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt „Queer leben“ engagiert und umfassend weiterzuführen. Der Antrag fordert außerdem einen Gesetzentwurf, „der Art. 3 Abs. 3 GG um ein explizites Verbot der Diskriminierung aufgrund der 'sexuellen Identität' ergänzt, und mit den demokratischen Fraktionen des Bundestages in den Dialog für die notwendige verfassungsändernde Mehrheit zu treten“. (che/26.06.2025)