Diskussion über Reformen bei Debatte zum Arbeits- und Sozialetat
Erst am Ende der Haushaltswoche, am Freitag, 26. September 2025, hat sich der Bundestag eingehend mit jenem Einzelplan im Haushaltsgesetzes 2026 (21/600) beschäftigt, der auch jenseits des Kreises der zuständigen Fachpolitiker für heftige Debatten sorgte: jenem des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wie wichtig dieser Etat und die Debatte darum ist, zeigte sich auch daran, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seiner Ministerin demonstrativ von der Regierungsbank aus den Rücken stärkte und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ihn demonstrativ begrüßte, um ein Zeichen der Einigkeit zu setzen und „Legendenbildung“ vorzubeugen, so Bas.
Ausgabenstärkster Einzeletat des Bundeshaushalts
Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bleibt auch 2026 der ausgabenstärkste Einzeletat des Bundeshaushalts und steigt kräftig im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Laut Haushaltsentwurf 2026 soll Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) im kommenden Jahr 197,4 Milliarden Euro ausgeben können. Damit würde der Etat deutlich gegenüber 2025 (190,30 Milliarden Euro) steigen, nämlich um 7,1 Milliarden Euro. Diese Summe resultiert fast komplett aus steigenden Rentenzuschüssen.
Die Diskussion über die Ausgaben des Bundes für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hatte sich in den vergangenen Monaten im Wesentlichen auf mögliche oder unmögliche Einsparungen beim Bürgergeld und die Kostenexplosionen im Rentensystem konzentriert. Das war auch in dieser Debatte nicht anders. Der Einzelplan 11 soll nach den bis Freitag, 26. September 2025, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Regierung: Die Legendenbildung kann aufhören
Bärbel Bas war es wichtig, die Einigkeit innerhalb der Bundesregierung bei der Reform des Sozialstaats zu betonen. Es gebe überhaupt keinen Dissens in der Frage, dass es eine Mitwirkung in der Grundsicherung geben müsse. „Die, die nicht mitmachen, müssen das auch merken“, sagte sie. Das Bürgergeld sei mittlerweile zu einem „Symbol dafür geworden, ob dieser Staat noch funktioniert“, und das sei auch „merkwürdig“, denn es werde in der Debatte so getan, als gäbe es „kein anderes Problem auf der Welt als die Grundsicherung. Und es ist auch kein Almosen, wenn wir das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren.“
Bas weiter: „Die Legendenbildungen können nun aufhören, wir machen das zusammen.“ In Zeiten, in denen der Autozulieferer Bosch ankündigt, 13.000 Stellen abbauen zu wollen, sei es wichtig, Menschen in Arbeit zu halten und zu bringen. Das gehe nicht ohne einen starken Sozialstaat und moderne Arbeitsmarktpolitik, bekräftigte Bas.
AfD: Sie verschleiern, statt zu sparen
Das große Motto des Haushalts des BMAS sei „Verschleierung“ entgegnete Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) der Ministerin. So würden auf dem Papier zwar 1,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld eingespart, mit Verweisen auf den Jobturbo oder den Rechtskreiswechsel von neu ankommenden ukrainischen Flüchtlingen in den Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes.
„Aber diese Einsparungen sind ein Nullsummenspiel, denn die Kosten ploppen bei den Kommunen wieder auf“, die dafür wiederum vom Bund Mittel erhalten sollten. Sie warf der Bundesregierung ferner vor, die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenkasse zu plündern, „um sich Zeit zu kaufen. Und dann? Wieso sind Sie angesichts dieser Lage so ruhig?“, fragte sie in Richtung Regierungsbank.
CDU/CSU: Niemand will die Soziale Marktwirtschaft demontieren
Für die Unionsfraktion trat Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) ans Rednerpult, einer derjenigen Unionspolitiker, die sich in der Sozialstaatsdebatte am lautesten profilieren. Aber auch ihm ging es vordergründig darum, die Einigkeit der Bundesregierung zu betonen. Dazu bediente er sich eines Satzes von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der in dieser Haushaltswoche den „bedeutungsvollen Satz“ gesagt habe: „Der Status quo ist unser Gegner.“
Linnemann griff das auf, um zu erklären: „Wir brauchen spürbare Veränderungen, die am Ende zum Guten führen.“ Dazu gehöre mitnichten eine Demontage der Sozialen Marktwirtschaft, denn „nur sie wird uns aus der Krise rausholen“. Missbrauch und Schwarzarbeit müssten mehr als bisher sanktioniert werden, so Linnemann, aber das habe die Arbeitsministerin ja „bereits auf den Punkt“ gebracht.
Grüne: Geld für die Boomer aber nicht für die Jungen
Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte einen Überbietungswettbewerb bei möglichen Einsparungen im Bürgergeld und fragte, „wozu führt das?“ Der Rechtskreiswechsel für ukrainische Flüchtlinge lese sich zwar wie eine Einsparung, sei es aber tatsächlich nicht.
Deutlich kritisierte er auch die geplante Aktivrente, eine Steuerbefreiung auf Einkommen bis 2.000 Euro, das neben der Rente erzielt wird. „Das ist ein Steuergeschenk für Menschen in gut bezahlten Bürojobs, die jetzt in Rente gehen. Für junge Menschen werden dagegen nur Krümel organisiert, in Form eines 10-Euro-Zuschusses für die Frühstart-Rente“, ärgerte sich Eckert.
Linke: Arme Menschen sind der Regierung egal
Tamara Mazzi (Die Linke) erklärte, der Haushalt 2026 lasse sich auf einen Satz reduzieren: „Dieser Regierung sind arme Menschen egal.“ Um diese Botschaft zu verstärken, hielt sie ein Blatt Papier ins Plenum, auf dem nur dieser eine Satz stand.
Mazzi kritisierte die Sozialstaatsdebatte als unsäglich, denn: „Wir stehen bei den prozentualen Ausgaben genau dort, wo wir 2015 schon waren. Wir können uns den Sozialstaat leisten. Diese Regierung will es aber nicht!“ Das Geld fehle, „weil Sie die Kassen von Rheinmetall füllen“, so Mazzi, die unter anderem eine Vermögensteuer und einen bundesweiten Mietendeckel forderte.
SPD: Die beste Reform ist Arbeitsvermittlung
Kathrin Michel (SPD) betonte, daran anschließend: „Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Wir müssen nicht nur an die Ausgaben ran, sondern auch die Einnahmen weiterentwickeln.“ 197 Milliarden Euro für den Sozialetat sei sehr viel Geld, „aber entscheidend ist, werden die Mittel so ausgegeben, dass sie den Schwachen helfen und gleichzeitig Strukturen modernisieren?
Wir brauchen den Mut für neue Konzepte“, forderte Michel. Die beste Reform der Grundsicherung sei es jedoch, Menschen in Arbeit zu bringen.
Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter
Der Löwenanteil im Einzelplan 11 entfällt dabei wie immer auf die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür sieht der Entwurf insgesamt 140,23 Milliarden Euro vor (2025: 134,39 Milliarden Euro). Darin enthalten sind die Leistungen an die Rentenversicherung mit 127,84 Milliarden Euro (2025: 122,5 Milliarden Euro). 64,36 Milliarden Euro (2025: 48,21 Milliarden Euro) gehen als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung. Der zusätzliche Zuschuss des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung beläuft sich auf 33,67 Milliarden Euro (2025: 32,1 Milliarden Euro).
Die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten steigen ebenfalls und summieren sich auf 19,67 Milliarden Euro (2025: 19,2 Milliarden Euro). Die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung schlagen mit 12,25 Milliarden Euro zu Buche (2025: 11,75 Milliarden Euro).
Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende will der Bund im kommenden Jahr 51,02 Milliarden Euro ausgeben (2025: 51,96 Milliarden Euro). Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft liegt wie im Vorjahr bei 13 Milliarden Euro 2025.
Kosten für das Bürgergeld sollen leicht sinken
Leicht sinkende Ausgaben sind bei den Kosten für das Bürgergeld geplant: Im Entwurf vorgesehen sind 28,05 Milliarden Euro (2025: 29,6 Milliarden Euro). Die Leistungen für Eingliederung in Arbeit steigen und sollen 4,7 Milliarden Euro kosten (2025: 4,1 Milliarden Euro). Steigen werden auch die Darlehen und sonstigen Leistungen an die Bundesagentur für Arbeit – auf 3,8 Milliarden Euro (2025: 2,35 Milliarden Euro).
Deutlich sinken sollen die Ausgaben für das Bundesteilhabegesetz zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen: Statt 135,45 Millionen Euro wie 2025 sind für 2026 nun 69,96 Millionen Euro eingeplant, was die Regierung mit der planmäßigen Absenkung des Ansatzes für Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation erklärt. (che/hau/26.09.2025)