Parlament

Käte Strobel

Schwarz-weiß Porträtfoto von Käte Strobel (SPD), 1907 bis 1996

(© DBT/Ludwig Haaren, Nürnberg)

Käte Strobel war die erste SPD-Bundesgesundheitsministerin und 23 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie war Mitglied und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, dort Vorsitzende der sozialistischen Fraktion.

Es scheint zunächst nur eine Kleinigkeit zu sein, doch die Oppositionspolitikerin Käte Strobel vermag das Plenum im März 1951 schnell davon zu überzeugen, dass die Bundesregierung mit ihrer jüngsten Anweisung an die Landesbehörden nicht nur deutliche Überschreitungen der Preisgrenzen für Getreide geduldet, sondern zugleich die Rechte des Bundestages missachtet hat: „Die Bundesregierung verlässt damit eindeutig den Boden des Rechts. Wie kann sie von den Staatsbürgern die Achtung vor dem Gesetz erwarten, wenn sie selbst (…) ankündigt, dass die Nichtbeachtung dieser Preisverordnung nicht bestraft wird? Die Bundesregierung mag die Tragweite ihrer amtlichen Mitteilung nicht bedacht haben. Umso notwendiger ist es, dass das Parlament solchen Anfängen wehrt, wenn es den Anspruch haben will, die Volksvertretung eines Rechtsstaates zu sein, zu bleiben.“ Mit Mehrheit stimmt der Bundestag daraufhin für den Antrag der SPD, nach dem die Bundesregierung diese Anweisung widerrufen muss.

Käte Strobel weiß aus eigenem Erleben, dass man demokratische Verfahren lernen und üben muss, und wie schlimm die Folgen für die Menschen sein können, wenn die Demokratie scheitert. Am 23. Juli 1907 wurde sie als Käte Müller in Nürnberg geboren und wuchs mit fünf Geschwistern und einem Pflegebruder in der Nürnberger Gartenstadt auf, einer neuen genossenschaftlich organisierten Wohnsiedlung, in der viele Sozialdemokraten lebten. Der Vater war Schuhmacher, zunächst Mitglied der USPD, später der SPD und bis 1933 Stadtrat in Nürnberg. Beide Eltern gaben ihren beiden Töchtern viel Freiraum – außergewöhnlich für die damalige Zeit, selbst in ihrer Siedlung, wo es etwas freiheitlicher zuging. Käte engagierte sich zunächst als Landesvorsitzende, und ab 1932 im Reichsvorstand der „Kinderfreunde“, einer Bewegung, die zu einer der wichtigsten sozialdemokratischen Jugendorganisationen in der Weimarer Republik gehörte.  Hier hatte sie auch deren Nürnberger Vorsitzenden Hans Strobel kennengelernt, der damals als Schriftsetzer bei der SPD-geführten „Fränkischen Tagespost“ arbeitete. Sie selbst war als kaufmännische Angestellte beim Bayerischen Landesverband für Obst- und Gartenbau tätig. 1929 hatten Käte und Hans Strobel geheiratet. Das Ehepaar trat einem Verein für Sexualhygiene bei, der sich mit Fragen der Empfängnisverhütung sowie Beratung und Hilfe bei Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigte – Fragestellungen, die Käte Strobel erst Jahrzehnte später als Bundesministerin wieder aufgreifen wird; denn 1933 wurde auch sexuelle Aufklärung zum Tabu. Mit dem Verbot der SPD und ihrer Einrichtungen wurden ihr Mann, ihr Vater und auch zwei ihrer Brüder arbeitslos, ihr Schwager wurde als ehrenamtlicher Stadtrat sofort nach Dachau deportiert. Sie selbst konnte ihren Arbeitsplatz bis zur Geburt der ersten Tochter im Jahr 1938 behalten, weil sich ihr Chef mutig vor sie stellte, auch als der Gerichtsprozess gegen ihren Mann begann. Hans Strobel hatte mit einem gemeinsamen Freund aus der Kinderfreunde-Bewegung eine Widerstandsgruppe gegründet und wurde 1934 zunächst zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und anschließend in das Konzentrationslager Dachau deportiert. 1937 wurde er entlassen, um dann 1943 in das Strafbataillon 999 eingezogen zu werden. Die Bombenangriffe auf Nürnberg wurden immer zahlreicher; Käte Strobel und ihre mittlerweile zwei kleinen Töchter wurden dreimal ausgebombt. Wenn sie später im ersten Deutschen Bundestag als Abgeordnete zum Bundesevakuiertengesetz oder zum Lastenausgleich mehr Hilfe für Evakuierte anmahnt, spricht sie aus eigener Erfahrung. Das Kriegsende erlebt sie gemeinsam mit ihren Eltern und der Familie ihrer Schwester in einem fränkischen Dorf. Seitdem ihr Mann in jugoslawische Kriegsgefangenschaft kam, hat sie keine Nachricht mehr von ihm erhalten. 

Zitat: „Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“

(© DBT)

Käte Strobel kehrt nach Kriegsende zurück in das stark zerstörte Nürnberg. Wieder wird die Gartenstadt ihr Zuhause, das die kleine Familie mit ihren Eltern, und einem ihrer Brüder mit seiner Frau teilt. So ist auch die Kinderbetreuung gesichert, als sie an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehrt. Und es sind wiederum ihre Familie und gute Freunde, die sie unterstützen, als sie sich auch am politischen Wiederaufbau beteiligt. Frauen sind ihre Zielgruppe; sie will sie für die politische Arbeit und als Unterstützerinnen für ihr eigenes politisches Engagement gewinnen. Die erste Nachricht, die sie im Oktober 1946 nach quälend langer Zeit von ihrem Mann erhält, lautet: „Hoffentlich hast Du jetzt trotz unserer zwei Kinder Zeit für die Politik. Frauen brauchen wir jetzt besonders notwendig.“ Tatsächlich ist Käte Strobel bereits auf dem Weg zur Berufspolitikerin; als Hans Strobel kurz nach seinem Brief wieder zuhause eintrifft, hofft seine Frau, für die bayerische Landtagswahl nominiert zu werden. Sie unterliegt einem männlichen Kandidaten, doch sie gibt nicht auf und findet nun sogar Unterstützung für ihre Kandidatur für den ersten Deutschen Bundestag. 1949 gelingt ihr der Sprung in die Bundespolitik – über die Landesliste, wie bei den darauffolgenden Bundestagswahlen. Erst 1961 wird sie als direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete für ihre Heimatstadt in den Bundestag einziehen. Schon zu Beginn ihrer Abgeordneten-Zeit sind ihre Schwerpunkte vor allem wirtschaftspolitische Probleme wie die Verbraucherpolitik. Von 1958 bis 1967 ist sie zugleich Mitglied des Europäischen Parlaments, zeitweise dessen Vizepräsidentin und Vorsitzende der sozialistischen Fraktion. Bereits 1961 gehört Käte Strobel dem SPD-Schattenkabinett an; 1966 wird sie als erste Sozialdemokratin Bundesministerin für Gesundheit in der Großen Koalition. 1969 macht sie Bundeskanzler Willy Brandt erneut zur Bundesministerin – nun für das um Frauen und Jugend erweiterte Ressort. Sie gilt als „Tabubrecherin“, weil sie die sexuelle Aufklärung in der Öffentlichkeit und den Schulen auf die Agenda setzt.

Als sie 1972 entscheidet, nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren, liegt eine eindrucksvolle Karriere im Bundestag, im Europaparlament und in der Bundesregierung hinter ihr. Mit 65 Jahren kandidiert sie nochmals, nun für den Nürnberger Stadtrat, dem sie bis zum Tod ihres Mannes im Jahr 1978 angehört. 

Am 26. März 1996 stirbt Käte Strobel in Nürnberg.

(he)

Der Text ist entnommen aus dem Buch „Der nächste Redner ist eine Dame“, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, erschienen im Ch. Links Verlag, 2024.

Zum Weiterlesen:

Renate Lepsius: Frauenpolitik als Beruf: Gespräche mit SPD-Parlamentarierinnen, Hamburg 1987, S. 33 – 51.

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