Paulskirchenverfassung für einen Tag wieder „zu Hause“ in Frankfurt
Die erste gesamtdeutsche Verfassung ist nach 175 Jahren an ihren Ursprungsort zurückgekehrt – wenn auch nur für einen Tag. Die in der Revolution 1848/49 von der Nationalversammlung erarbeitete Reichsverfassung ist am Montag, 18. März 2024, erstmals seit ihrer Verabschiedung wieder in der Frankfurter Paulskirche zu sehen gewesen. Anlässlich der Eröffnung der Bundestagsausstellung „Odyssee einer Urkunde“ im Beisein von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Gruppe Die Linke) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ermöglichte das Deutsche Historische Museum, in dessen Obhut sich das überaus fragile Dokument heute befindet, einen Tag lang den Blick auf die Unterschriften der 405 Abgeordneten, die sich 1849 zu Freiheit und Einheit bekannten. Später wird in der Ausstellung ein Faksimile gezeigt.
Parlamentstraditionen und aktuelle Gefährdungen
![Plakat zur Ausstellung Odyssee einer Urkunde](/resource/blob/451034/0de3fbe475aa4210e50d850245ac3c47/Image3x4_small.png)
(© Gestaltung: REDPEAR, Potsdam Foto: Indra Desnica)
Der Historiker Prof. Dr. Christian Jansen von der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte (GEDG) setzte in seiner Begrüßung den Ton, indem er den Bogen von den Anfängen des deutschen Parlamentarismus, für deren kritische Kontextualisierung er warb, zu den Gefährdungen der Demokratie heute schlug – von außen, aber auch aus ihrem Innern. Vizepräsidentin Pau resümierte entsprechend in ihrem Grußwort, in dem sie auch an den 18. März 1990, die ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR, und die Verfassungsdebatten im Einigungsjahr erinnerte, der beste Verfassungsschutz seien engagierte Bürgerinnen und Bürger und couragierte Parlamentarier.
Als Vertreterin des „Verfassungsressorts“ hob Bundesinnenministerin Faeser mit Blick auf die Ausstellung hervor, dass es ihr gelänge, Verfassungsgeschichte lebendig zu machen. Sie unterstrich die verfassungsrechtlichen Kontinuitäten von 1849 über 1919 (Weimarer Reichsverfassung) bis 1949. Das Grundgesetz sei, so Faeser, „die Enkelin der Paulskirchenverfassung“. Ihre Begeisterung, dass die wertvolle Originalurkunde nun für einen Tag „nach Hause“ gekommen sei, teilte sie mit Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef, der als Hausherr in der Paulskirche unterstrich, wie prägend die Geschichte dieses national bedeutsamen Ortes für die Stadt Frankfurt sei.
Spannend wie ein Krimi
Die Ausstellung, in die Kurator Dr. Klaus Seidl von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages einführte, erzählt teils spannend wie ein Krimi von der abenteuerlichen Geschichte der Verfassungsurkunde. Sie würdigt die Arbeit der Parlamentarier und zeichnet entlang der Objektgeschichte nach, wie die Deutschen sich in ganz unterschiedlichen politischen Systemen mit ganz unterschiedlichen Narrativen auf die Revolution bezogen. Indem ein großer parlamentarischer Kompromiss zwischen Liberalen und gemäßigten Demokraten die Verfassung überhaupt erst ermöglichte, manifestiert sich für Dr. Seidl in der Pergamenturkunde „eine bleibende Sternstunde des Parlamentarismus – auch wenn sich die Verfassung letztlich nicht verwirklichen ließ.“
Die Wanderausstellung basiert auf der in den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages erarbeiteten Ausstellung, die 2023 im Reichstagsgebäude in Berlin zu sehen war. Gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat und umgesetzt von der GEDG tourt die Ausstellung 2024 durch die deutschen Verfassungsstädte.
Weitere Stationen: Bonn, Berlin und Weimar
In der Frankfurter Paulskirche ist sie vom 19. März bis zum 3. Mai 2024 täglich von 10 bis 17 Uhr zu sehen (außer bei geschlossenen Veranstaltungen). Der Eintritt ist frei.
Am 28. März finden anlässlich des Jahrestags der Verabschiedung der Verfassungen vor 175 Jahren in einer Kooperation mit der Bundesstiftung Orte der Demokratiegeschichte Führungen durch die Ausstellung statt. Weitere Stationen der Wanderausstellung sind 2024 Bonn und Weimar sowie im Rahmen des Demokratiefestes zum Staats- und Grundgesetzjubiläum vom 23. bis 26. Mai Berlin. (hs/19.03.2024)