28.06.2021 | Parlament

Rede von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der 6. Ordentlichen Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung

[Es gilt das gesprochene Wort.]

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6, und dazu begrüße ich die Regierungschefs unserer beiden Länder. Sie sind uns zugeschaltet. Frau Bundeskanzlerin, Herr Premierminister, seien Sie uns herzlich willkommen!

Dass wir heute die Spitzen unserer Regierungen befragen, zeigt das Gewicht, das diese Versammlung in den zurückliegenden Jahren erlangt hat. Es lohnt, an die schwierigen Anfänge zu erinnern – an das Jahr 2017, als im September Staatspräsident Macron ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Dynamik im europäischen Integrationsprozess hielt. Deutschland steckte damals inmitten einer schwierigen Regierungsbildung. Die französische Seite musste sich gedulden. In dieser Situation haben unsere Parlamente die Initiative zu einer gemeinsamen parlamentarischen Versammlung ergriffen. Dabei unterscheiden sich die Verfassungstraditionen unserer Länder grundlegend. Unsere Parlamentskulturen auch. Möglich geworden ist unsere Versammlung dennoch – durch den starken Willen auf beiden Seiten.

Gemeinsam ist es uns gelungen, diese weltweit einzigartige binationale Parlamentskammer zu einem Erfolg zu machen. Gerade in der Corona-Krise hat die parlamentarische Zusammenarbeit unserer beiden Länder ihren Wert bewiesen. In der Anhörung der Innenminister haben wir nachdrücklich deutlich gemacht, dass die Grenzschließungen zu Beginn der Pandemie ein Fehler waren. Dass es nie wieder zu einem derart unabgestimmten Vorgehen kommen darf. Die deutsch-französische Initiative für den Europäischen Wiederaufbaufonds haben wir mit der Anhörung der Finanzminister begleitet. Und unsere Versammlung kann sich auch konkrete praktische Erfolge zuschreiben. Das gilt für die Grenzregionen, und dazu gehört die Zusage, zwischen Paris und Berlin wieder eine Nachtzugverbindung einzurichten.

Darauf werden wir aufbauen, auch und gerade nach den Wahlen im September in Deutschland und im Frühjahr in Frankreich. Ein Vakuum wie 2017 wird es nicht geben: Anders als damals verfügt die deutsch-französische Zusammenarbeit jetzt über ein Forum, das unabhängig von Regierungskonstellationen funktioniert – und sich bewährt. Unsere Versammlung wird die Annäherung der deutschen und französischen Positionen weiter vorantreiben.

An Aufgaben mangelt es nicht: Die Folgen der Pandemie werden uns noch lange beschäftigen. Die Defizite in der Migrations- und Asylpolitik sind drängender denn je. Europa wird in den nächsten Jahren gefordert sein, in der Außen- und Verteidigungspolitik deutlich mehr Engagement zu zeigen – und seine Handlungsfähigkeit zu beweisen.

Wir brauchen dafür deutsch-französische Führung. Und den permanenten Austausch unserer Parlamente – untereinander und mit den Regierungen. Dem dient die heutige Anhörung.

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