06.06.2023 | Parlament

Ansprache von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas für den Besuch bei der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg

Lieber Herr Schmitteckert,
liebe Mitglieder des Vorstands und des Kuratoriums,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Vielen Dank für den herzlichen Empfang 
und die freundliche Einladung! 

Ich freue mich sehr, heute zum ersten Mal die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte zu besuchen. 

Mein Amt hat auch Vorteile: Ich kann zu den  interessantesten Orten dieses Landes reisen. 
Die Erinnerung an Friedrich Ebert ist mir ein besonderes Anliegen.  
Als Bundestagspräsidentin, 
aber natürlich auch als Sozialdemokratin. 

Ohne Friedrich Ebert hätte die erste deutsche Demokratie viel schlechtere Chancen gehabt. 
Vielleicht hätte es sie gar nicht gegeben.

Das Geburtshaus von Friedrich Ebert ist ein besonderer und authentischer Ort. 
Hier bleibt die Erinnerung an das Leben und Wirken dieses großen Demokraten und Staatsmannes lebendig. 

Durch Ihren Einsatz! 
Deshalb sage ich ganz herzlich: Danke! 
Besonders auch für die politisch-historische Bildungsarbeit, die Sie so engagiert leisten. 

Mit vielen Ausstellungen und Veranstaltungen stellen Sie immer wieder einen Bezug zu aktuellen Fragen her. 

Und das ist wichtig: Die Geschichte lässt sich bekanntlich nicht ändern. 
Gegenwart und Zukunft aber schon.  

Für einen scharfen Blick auf das Heute hilft es zu wissen, was gestern war.

Von „Weimarer Zuständen“ sind wir weit entfernt. Zum Glück! 

Unsere Herausforderungen sind zwar groß, 
aber kaum vergleichbar mit den gigantischen Problemen nach Weltkrieg und Revolution. 

Und unsere Demokratie mit ihren Institutionen hat sich über Jahrzehnte bewährt. 

Sie ist stabil. 
Aber sie ist nicht selbstverständlich. 

Populismus, Polarisierung oder Verfassungsfeinde setzen ihr auch heute zu. 

Da müssen wir entschieden gegensteuern – Politik und Gesellschaft. 

Eine Frage treibt mich besonders um: 
Wie erreicht die Politik wieder mehr Menschen? Gerade auch die Menschen, die sich von der Politik abgewandt haben. 

Friedrich Ebert hatte eine ganz besondere Aufsteiger-Biographie. 
Wie viele Genossinnen und Genossen der damaligen Zeit - etwa Philipp Scheidemann, Otto Wels oder mein Amtsvorgänger Paul Löbe.

Heute sind Menschen aus so genannten einfachen Verhältnissen Ausnahmeerscheinungen in der Politik. 
Menschen ohne Abitur oder Uniabschluss sind in Parlamenten und Parteien kaum zu finden. 

Auch in meiner eigenen Partei nicht. 
Nicht einmal drei Prozent der Bundestagabgeordneten haben einen Hauptschulabschluss
 – in der Bevölkerung ist es fast ein Viertel. 

Arbeiterinnen und Arbeiter, 
Menschen mit Handwerks- und Dienstleistungsberufen, 
Ungelernte sind deutlich unterrepräsentiert. 

Natürlich muss der Deutsche Bundestag kein Spiegelbild der Gesellschaft sein. 
Aber mehr soziale Vielfalt würde Parlament und Parteien mehr als gut tun.  

Menschen mit geringem Einkommen gehen seltener wählen und sind seltener in Parlamenten vertreten. 
Studien weisen zudem darauf hin, dass ihre Anliegen und Interessen eine geringere Rolle im politischen Prozess spielen. 

Das ist auf Dauer ein ernsthaftes Problem für unsere Demokratie. 
Das muss sich ändern! 

Ein Weg zur Vitalisierung unserer parlamentarischen Demokratie sind Bürgerräte. Der Deutsche Bundestag hat vor gerade einem Monat den 1. Bürgerrat dieser Wahlperiode eingesetzt. 
Ein wichtiger Aspekt der Bürgerräte ist, die möglichst repräsentative Zusammensetzung.  
Das allein reicht aber nicht. 
Wir alle in der Politik sollten noch mehr auf die Menschen zugehen und signalisieren: 
Politisches Engagement lohnt sich! 

Lieber Herr Schmitteckert, lieber Bernd Braun,
ich freue mich darauf, gleich noch ein bisschen mehr über Friedrich Ebert zu erfahren. 

Und mit Ihnen allen ins Gespräch zu kommen.

Vielen Dank!

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