Dankesrede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas für den Preis „Goldenes Karussellpferd“ auf dem Jahresempfang der AG der Schaustellerverbände NRW in Bocholt
[Es gilt das gesprochene Wort]
Sehr geehrter Herr Präsident Rainer Schmeltzer,
Herr Minister Laumann,
Herr Bürgermeister Kerkhoff,
Herr Traber,
lieber Albert Ritter,
sehr geehrter Herr Dr. Heinisch
sehr geehrte Damen und Herren!
vielen Dank für diese tolle Laudatio und für Ihr wichtiges Engagement bei den NRW-Feuerwehren.
Und vielen Dank natürlich für diesen außergewöhnlichen und schicken Preis!
Sie haben sich das Karussellpferd sicher von PETA genehmigen lassen, oder?…
Karussellpferd und Bundestag? - da könnte man glatt an ständiges Auf/Ab oder Drehen im Kreis denken.
Ich würde das Pferd eher als Symbol sehen: für Kraft und Freiheit, für Ausdauer und Entschlossenheit.
Alles Eigenschaften, die auch sehr gut zu Ihrer Branche passen. Vor allem, wenn man auf die Corona-Zeit zurückblickt.
Eine schwere Zeit der Unsicherheit und Machtlosigkeit.
Nicht nur für Sie.
Aber die Schausteller-Branche hat es in besonderem Maße getroffen.
Sicher: Es gab Corona-Hilfen vom Staat.
ABER: Viele von Ihnen waren das erste Mal auf staatliche Hilfe angewiesen – obwohl Sie das nie wollten.
Lebensversicherungen mussten aufgelöst, Kreditraten ausgesetzt und Investitionen abgesagt werden.
Wir in der Politik wissen, dass Ihnen die Existenzangst oft im Nacken saß – und bei vielen noch heute sitzt.
Dass wir das wissen, ist das besondere Verdienst Ihres Präsidenten.
Lieber Albert,
auf Dich könnte man eine abendfüllende Laudatio halten. Ich mache es hier kurz: Wie gut, dass Du wie kein Zweiter unterschiedlichste Menschen zusammenbringen kannst.
Vielen Dank für Dein Engagement.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben das Geschäft von Ihren Familien gelernt und geerbt.
Viele betreiben Ihr Geschäft über Generationen hinweg.
Und viele haben sich gefragt, ob sie die Letzten in dieser Reihe sind.
Sie mussten vermutlich so lange wie nie tatenlos an einem Fleck warten.
Karussells, Fahrgeschäfte und Wohnwagen standen still.
Vielleicht fragt man sich dann auch: Vermissen uns die Menschen?
Heute wissen wir: Die Menschen haben Sie sehr vermisst– die Kirmes, den Rummel, den Jahrmarkt - und alles, was sie ausmacht.
Sie haben es geschafft, Sie sind wieder unter Leuten!
Als Schausteller bringen Sie den Menschen gute Unterhaltung, bunte Lichter und frohe Musik!
Und Sie sorgen dafür, dass die Menschen in unserer angespannten Zeit etwas Ablenkung finden und die Akkus wieder aufladen können.
Zwischen Autoscooter, Geisterbahn und Dosen-Werfen, bei Zuckerwatte, kandierten Früchten und Bratwurst lassen Sie Lebensfreude aufbranden und Kindergesichter strahlen.
Sie verzaubern ganze Familien.
Auch dafür Danke.
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Bundestagspräsidentin muss ich viel Zeit auf „Montage“ in Berlin verbringen. Oder wie Du sagst, lieber Albert: In der „Kirmesdiaspora“.
Eine Kirmes wie die „Beecker Kirmes“ in meiner Heimatstadt Duisburg sucht man aber im großen Berlin vergeblich.
Umso mehr habe ich es bedauert,
dass die Beecker Kirmes 2022 wegen Schaustellermangels abgesagt werden musste.
Auch wenn es heute keinen Sicherheitsabstand mehr zwischen Karussellpferden gibt: Es ist noch lange nicht alles beim Alten.
Und neue Phantom-Diskussionen über ein Verbot von Karussellpferden sind da das Letzte, was Sie brauchen.
Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich neu orientiert.
Auch Ersatzteile sind zum Teil wochenlang nicht zu haben.
Der Krieg in der Ukraine und die Inflation verunsichern die Menschen und lassen Ihre Energiekosten steigen.
Dennoch bin ich überzeugt: Sie meistern auch diese Krise – mit Ihrer Kreativität, Ihrer Liebe zur Berufung und Ihrem Gemeinschaftssinn.
Und kaum jemand kennt die Sehnsucht der Menschen nach Lebensfreude so gut wie Sie.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Beginn unseres Abends haben Sie voller Stolz Ihre Fahnen hereingetragen, die Sie nach meinem Wissen in der Zeit des Nationalsozialismus verstecken mussten.
Diese Fahnen stehen für Tradition und Selbstbewusstsein.
Sie sind aber auch ein Bekenntnis für Freiheit und Demokratie, das in diesen Zeiten vielleicht nötiger denn je ist.
Unsere Demokratie ist gerade deswegen stark, weil alle ihre Meinung äußern und ihre Persönlichkeit entfalten können.
Dennoch ist das Klima rauer geworden.
Das spüren wir alle.
Ganz besonders die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die eben keinen Personenschutz habe.
Viele im Saal erinnern sich bestimmt noch an den Bocholter Kollegen Thomas Purwin im Jahr 2016:
Er zog sich nach hunderten Hassmails und Morddrohungen gegen ihn, seine Lebensgefährtin und seine Tochter aus der Kommunalpolitik zurück und legte sein Amt als SPD-Vorsitzender nieder.
Oder der Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz im selben Jahr - ein Angriff auf die freie Gesellschaft, die sich auf Ihren Märkten tummelt.
Sie als Schaustellerinnen und Schausteller verkörpern unsere bunte, friedliche und tolerante Gesellschaft.
Genau diese vielfältige Gesellschaft müssen wir verteidigen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Hunderttausende sind in den vergangenen Wochen aufgestanden. Überall in Deutschland.
Auch in Bocholt haben Ende Januar mindestens 8.000 bis 9.000 Bürgerinnen und Bürger gezeigt:
Unsere Demokratie ist vielfältig, lebendig und wehrhaft.
Auch dafür: Herzlichen Dank!
Kirmes ist die Mitte der Gesellschaft und die Mitte der Gesellschaft ist auf der Kirmes.
In diesen Wochen findet sich die Mitte unserer Gesellschaft neu.
Wie diese Demonstrationen es nun tun, konnte auch die Kirmes schon immer Menschen aller Gesellschaftsschichten vereinen.
Bei Ihnen begegnen sich all jene, die sich im Alltag manchmal aus dem Weg gehen.
Die allzu häufig nicht mehr miteinander sprechen.
Arm und Reich,
die Ausgebildeten und die Studierten,
die Zugezogenen und die Tiefverwurzelten,
die auf Besuch und die aus der Gegend, die Jungen und die Alten.
Dieser Kit der Kirmes hat gefehlt in der Corona-Zeit.
Wie gut, dass Sie wieder da sind!
Wir brauchen Sie.
Vielen Dank!