08.10.2024 | Parlament

Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas beim Parlamentarischen Abend „Gemeinsam in der Krise – Welthungerhilfe und GIZ in fragilen Kontexten“

[Es gilt das gesprochene Wort]

Liebe Frau Thieme,
lieber Thorsten Schäfer-Gümbel,
lieber Botschafter Pohl,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
meine Damen und Herren!

Ich bin heute Abend sehr gerne hier.
Denn ich möchte diesen Abend nutzen, um Danke zu sagen:

Mein Dank geht an alle, die sich mit Herzblut und Mut für die Entwicklungszusammenarbeit engagieren.

In der Politik und in den Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit.

Ganz besonders möchte ich denen danken, die vor Ort in fragilen Staaten arbeiten.

Ihre Arbeit ist eine große Herausforderung.
Aber sie ist von unschätzbarer Bedeutung.

Angesichts der geopolitischen Lage ist es derzeit besonders wichtig, auch zu schwierigen Partnern den Kontakt aufrecht zu halten.

Noch nie wurden seit dem Zweiten Weltkrieg so viele Kriege geführt wie heute – 56!

Wir müssen uns Machthabern entgegenstellen, die den Frieden gefährden.

Und wir müssen Partnerschaften stärken – weltweit.
Auch mit Ländern, in denen demokratische Entwicklungen noch nicht vollständig umgesetzt sind.

Auch mit fragilen Staaten wie Mali, wo viele Geflüchtete leben – aus Mali selbst wie aus den umliegenden Ländern.

GIZ und Welthungerhilfe arbeiten daran, für Geflüchtete und aufnehmende Bevölkerung Qualifizierung und Einkommen zu schaffen.

Das stärkt den sozialen Zusammenhalt und sorgt für Stabilität.

Vielen Dank an die Welthungerhilfe und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, dass Sie diese wichtige Arbeit in Mali und in weiteren fragilen Staaten leisten!

Meine Damen und Herren,
Ihre Arbeit in Mali ist auch deshalb schwierig, weil immer wieder Fake News über die internationale Zusammenarbeit verbreitet werden.

In Mali kursieren beispielsweise Videos russischer Hubschrauber und Panzer, die vermeintlich islamistische Gruppen vertreiben.

Ein malischer Journalist und Faktenchecker fand jedoch heraus: Die russischen Panzer waren nicht in Mali unterwegs, sondern in der Ukraine.
Und schützten nicht die Zivilbevölkerung, sondern griffen sie an.

Dieses Beispiel zeigt: In fragilen Staaten ist der Nährboden für Fake News besonders fruchtbar.

Das nutzen Kräfte in Staaten wie Russland und China aus.

Umso mehr bin ich überzeugt: Auch wenn Partnerschaften kompliziert sind und Malis Regierung kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit hat, sollten wir im Austausch bleiben.

Nicht nur in Mali verbreiten sich Fake News. Das Problem kennen wir auch in Deutschland.

In den vergangenen Monaten sahen sich die Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt pauschaler Kritik ausgesetzt.

Besonders prominent: Projekte in Peru.

Selbstverständlich wird im Deutschen Bundestag auch über die aktuelle Entwicklungszusammenarbeit debattiert.

Und es ist das gute Recht von uns Abgeordneten, nach der Wirksamkeit der Projekte zu fragen.

Mir ist aber wichtig: Die Debatten müssen sachlich bleiben.

Es schadet uns allen, wenn sie durch falsche Behauptungen verzerrt werden.

Wie bei den uns wohl allen bekannten Radwegen in Peru.  

Meine Befürchtung ist: Mit solchen Fake News wird die Entwicklungszusammenarbeit pauschal in Misskredit gebracht.

Für wichtige Anliegen sei hier in Deutschland kein Geld da, weil das Geld nach Peru gehe.

Das Problem ist: Solche Fake News lassen sich nur schwer richtigstellen.
Die Behauptungen verfangen, weil sie auf Emotionen setzen.

Klarstellungen verhallen und erreichen nie die gleiche Reichweite wie die ursprünglichen Fake News.

Trotzdem müssen wir gegenhalten!

Wir können uns nicht abschotten und so tun, als gebe es den Rest der Welt nicht.

Wir können uns nicht in unseren nationalen Kokon zurückziehen und uns nur um uns selbst kümmern.

Aber gerade in Krisenzeiten ist es verführerisch zu sagen: Uns gehen die Probleme der Welt nichts an.

Doch solche Scheinlösungen halten der Realität nicht stand.

Im Gegenteil: Wenn Menschen hungern und Kriege wüten, dann breiten sich diese Konflikte aus.

Ihre Auswirkungen erreichen auch uns. 
Nicht nur in Form von schockierenden Bildern in den Nachrichten.

Die Menschen fliehen vor Krieg oder Armut zu uns, um Schutz zu suchen.

Entwicklungszusammenarbeit schafft Perspektiven in ärmeren Ländern.

Wer im Heimatland keine Not leidet, denkt weniger an eine gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer nach.

Daher müssten alle großes Interesse an Entwicklungszusammenarbeit haben, die Migration eindämmen wollen.

Dennoch wird Entwicklungszusammenarbeit immer wieder dargestellt als ein Kostenpunkt, den man den deutschen Steuerzahlern nicht zumuten dürfe.

Wie können wir dem entgegenwirken, dass Entwicklungszusammenarbeit so in Frage gestellt wird?

Diese Frage bereitet Kopfzerbrechen – Ihnen in der Entwicklungszusammenarbeit und uns Abgeordneten im Parlament.

Es braucht Aufklärung und Information. Natürlich. 
Es sollte häufiger und deutlicher herausgestellt werden, wie wirksam Entwicklungszusammenarbeit ist.

Seit langem werden die Projekte evaluiert. 
Die Ergebnisse sollten noch stärker Einzug halten in die politische Debatte!

Auch die Erfolgsgeschichten haben starke Bilder, die die Menschen emotional berühren.

Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns trotz aller Herausforderungen den Mut und die Hoffnung nicht verlieren!

Entwicklungszusammenarbeit hat eine zutiefst menschliche Komponente.

Diese Humanität und Solidarität dürfen wir nicht preisgeben.

Dennoch sollten wir auch immer wieder erklären: Entwicklungszusammenarbeit ist in unserem ureigensten Interesse. 
Je mehr Unsicherheit und je mehr fragile Staaten auf der Welt bestehen, desto mehr sind auch wir von Ungewissheit betroffen.

Viele Menschen in unserem Land wissen das – und handeln auch:

2023 haben fast 260.000 Menschen an die Welthungerhilfe gespendet. 
Trotz all der Krisen und Unsicherheiten in unserem Land.

Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass vielen bewusst ist: 
Für den Klimawandel sind die reicheren Länder dieser Welt verantwortlich. 
Am stärksten leiden darunter aber die Ärmsten, im globalen Süden.

Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns ein Zitat des malischen Schriftstellers und Ethnologen Amadou Hampâté Bâ beherzigen:

„Wenn ihr ein bleibendes Werk schaffen wollt, seid geduldig, seid gut, seid lebenstüchtig, seid menschlich!“
Zitatende.

In diesem Sinne brauchen wir Menschlichkeit und Geduld in der Entwicklungszusammenarbeit.

Und wir müssen lebenstüchtig Fake News widersprechen.

Nun freue ich mich auf die virtuelle Reise nach Mali und auf gute Gespräche.

Vielen Dank!