22.04.2024 | Parlament

Grußwort bei der Vorstellung der Vorstudie „Zwangsarbeit in DDR-Haftanstalten“ in der Humboldt-Universität zu Berlin

Die SED-Opferbeauftragte hält bei der Vorstellung der Vorstudie „Zwangsarbeit in DDR-Haftanstalten“ in der Humboldt-Universität zu Berlin eine Rede.

Die SED-Opferbeauftragte hält bei der Vorstellung der Vorstudie „Zwangsarbeit in DDR-Haftanstalten“ in der Humboldt-Universität zu Berlin eine Rede. (© Team Zupke)

Lieber Herr Prof. Baberowski,
lieber Dieter Dombrowski,
lieber Herr Dr. Lindner,
liebe Mitglieder des Forschungsteams der HU und der UOKG,
sehr geehrte Gäste,

vor ein paar Wochen war ich wieder in Hoheneck. Dem ehemaligen Frauengefängnis in Stollberg im Erzgebirge. Dem Ort, wo tausende Frauen aus politischen Gründen inhaftiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet waren.

Wenn man heute durch die leeren Räume, durch die Gänge, Arrestzellen und Hallen geht, erinnert auf den ersten Blick wenig an das Leid, was den Frauen dort angetan wurde.

Was politische Haft und was Zwangsarbeit im Gefängnis bedeutet und welche Folgen dies für die Betroffenen bis heute hat. All das musste und muss erst mühsam herausgearbeitet werden. Was bedeutet es, als politisch Inhaftierte Zwangsarbeit in einem Gefängnis zu leisten? 

„Ich hatte keine Schutzbrille. Nichts. Nichts zu trinken. Zwei Kannen Tee für 20 Personen für einen Tag, bei großer Hitze. Bohren und Stanzen und Gewinde schneiden. Ich war an meinem Hals total verbrannt von den heißen Spänen. Und das in Akkordarbeit. Und man hat immer gesagt: Wenn du deine Norm nicht schaffst, dann kriegen deine Kinder kein Geld, keine Unterstützung. Die Zustände in diesem Keller waren katastrophal.“
So berichtete Birgit Krüger, eine ehemalige politische Gefangene aus Hoheneck, von ihrer Zwangsarbeit in der Waschmaschinenproduktion beim gemeinsamen Fachgespräch der UOKG und mir als SED-Opferbeauftragte im Bundestag. Mir sind ihre Worte lange nachgegangen. 

Nein, die Arbeit im Gefängnis war für viele Häftlinge eben nicht der nette Zeitvertreib im tristen Haftalltag. Die Zwangsarbeit ist mehr als nur eine Begleiterscheinung der politischen Haft. Die Zwangsarbeit politischer Häftlinge war ein Instrument der Repression. 

Gerade wenn ich immer wieder höre:
„Haft und Arbeit. Das gehört halt zusammen. In der Demokratie so wie in der Diktatur“ wird mir deutlich, wie wichtig es ist, die Hintergründe der Zwangsarbeit und die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen weiter aufzuklären. 

Ich bin Ihnen, lieber Dieter Dombrowski, und der UOKG daher besonders dankbar, dass Sie diese Forschungsarbeit angestoßen haben. Mein Dank gilt ebenso den Abgeordneten des Bundestages und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, hier stellvertretend Ihnen, lieber Herr Dr. Lindner, für die Förderung dieses Projektes. 

Mein besonderer Dank gilt den Forschern und Forscherinnen der Humboldt-Uni. Es ist eine regelrechte Detektivarbeit, die Sie geleistet haben. Wo und wie wurden die Produkte gefertigt? Wie waren die Arbeitsbedingungen? Und wer hat diese Produkte schließlich verkauft? Besonders wichtig sind mir die Erkenntnisse, die Sie zu den gesundheitlichen Schädigungen durch die erzwungene Häftlingsarbeit gewinnen konnten. Diese Erkenntnisse können einen Beitrag dazu leisten, dass wir bei der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden, dass wir in diesen Verfahren auch die ganz konkreten körperlichen Folgen, endlich stärker berücksichtigen. Die heutigen körperlichen Leiden der Betroffenen, sie sind kein Zufall. Kein Ausdruck eines ungesunden Lebenswandels, wie es manche Ablehnungsbescheide fast schon unterstellen. Sie sind ganz wesentlich Folgen von politischer Repression und der erzwungenen Arbeit im Gefängnis. Für mich als SED-Opferbeauftragte stellt daher die Vorstudie, die heute präsentiert wird, einen ersten wichtigen Schritt dar. Einen Schritt, der uns wichtige Erkenntnisse bietet, aber gleichzeitig aufzeigt, wieviel mehr noch zu leisten ist, um die Haftzwangsarbeit und ihre Folgen in Gänze zu verstehen. Ich möchte daher schon jetzt gegenüber der Politik dafür werben, dass wir diesen nächsten Schritt, den Schritt hin zu einer umfassenden Studie zu den Hintergründen und Folgen der Zwangsarbeit, gemeinsam gehen. 

Die Vorstudie stimmt mich nachdenklich. Denn das, was wir über die Zwangsarbeit erfahren, es gilt eben nicht nur für die Geschichte. Die Arbeitslager, in die russische oder auch belarussische Oppositionelle heute geschickt werden, nutzen ebenso Arbeit als Instrument der Repression. 

Die Erforschung der Zwangsarbeit. Die Erforschung dieses Teils unserer Geschichte, sie kann gleichzeitig unser Bewusstsein dafür schärfen, wie Diktatur – damals wie heute – wirkt.

Vielen Dank!

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