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„Alles zu teuer, zu langsam […]“ – Interview, 25.1.2019

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(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit dem Wehrbeauftragten in der „Passauer Neue Presse“ vom 25. Januar 2019

„Alles zu teuer, zu langsam – nicht nur bei ‚Gorch Fock‘“

Die Kosten für die Sanierung der „Gorch Fock“ laufen immer mehr aus dem Ruder. Von Missmanagement und Korruptionsverdacht ist die Rede. Macht die Instandsetzung noch Sinn?

Bartels: Die „Gorch Fock“-Reparatur ist besonders spektakulär aus dem Ruder gelaufen. Sie steht sinnbildlich für ein System der Verantwortungsdiffusion, in dem niemand für das Ganze verantwortlich ist. Zu viele sind an solchen Projekten beteiligt. Jeder macht an seiner Stelle alles richtig, aber was schließlich herauskommt, kann niemand gut finden. Alles wird zu teuer, geht zu langsam, wirkt am Ende unfertig – vom Eurofighter bis zur Fregatte F 125. Das ist nicht nur bei der „Gorch Fock“ ein Problem. Wir beobachten bei fast jedem Rüstungsprojekt, dass Kalkulation und tatsächlicher Preis sich weit auseinanderentwickeln.

Warum sind Fehlentwicklungen nicht früher aufgefallen?

Bartels: Im Fall „Gorch Fock“ lese ich, dass sie seit dem Jahr 2000 für Reparaturen immer wieder in dieselbe Werft kam. Aber erst jetzt wird plötzlich festgestellt, dass es Reparaturbedarf gibt, der einen Neubaupreis übersteigt. Eigentlich hätte man schon bei der Kostenexplosion auf 135 Millionen Euro im Frühjahr hellhörig werden müssen. Aufregung entstand aber erst, als sich ein Bundeswehrmitarbeiter selbst anzeigte und man nun wegen Korruptionsverdachts ermitteln muss. Ohne das hätte man den Sprung von 10 auf 135 Millionen Euro Reparaturkosten wohl weiter für normal gehalten. Bemerkenswert finde ich, wie wenig klar zu sein scheint, wer eigentlich verantwortlich ist. Es wurde versucht, dem Marineinspekteur den Schwarzen Peter zuzuschieben. Aber so, wie die Bundeswehr im Moment organisiert ist, gehört das Schiff schon seit drei Jahren nicht mehr zu seinem Verantwortungsbereich.

Die Grünen fordern statt einer teuren Reparatur einen Neubau. Wäre ein Ende mit Schrecken nicht tatsächlich besser als ein Schrecken ohne Ende?

Bartels: Das kann ich nicht entscheiden. Dass sich die Marine ein Segelschulschiff für die Ausbildung ihrer Offiziersanwärter wünscht, ist verständlich. Das hat Tradition. Andere Nationen haben das auch. Auf so einem Schiff lernen Kadetten Seemannschaft, den Umgang mit Naturgewalten und stärken den Teamgeist. Jedenfalls soll das so sein. Ich bin dafür, dass Deutschland ein Segelschulschiff hat – dieses oder ein neues.

Von den 120 Soldaten der „Gorch Fock“ wurden seit Beginn der Reparaturen im November 2015 nur etwa 30 für andere Aufgaben in der Marine eingesetzt. Warum müssen alle anderen beim Schiff bleiben?

Bartels: Man will wohl diese sehr spezielle Stammbesatzung zusammenhalten und nicht riskieren, dass es keine mehr gibt, wenn das Schiff fertig ist. Die Betreuung von Fregatten und Booten in der Werft ist ähnlich aufwendig. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob ein solches Konzept noch in die Zeit passt. Die Marine versucht inzwischen, zu einem anderen System überzugehen: eigene Werftteams. Zunehmend wird es ja nicht mehr eine Besatzung pro Schiff geben, sondern Besatzungen, die jeweils auf dem Schiff fahren, das einsatzbereit ist. Und wenn sie nicht zur See fahren, machen sie Urlaub oder Lehrgänge.

Interview: Andreas Herholz

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