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„Jetzt muss wirklich etwas passieren“ – Interview vom 4.5.2018

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(© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview des Wehrbeauftragten in der „Wirtschaftswoche“ vom 4. Mai 2018

Herr Bartels, sind Sie als Wehrbeauftragter des Bundestages eigentlich Donald Trump dankbar dafür, dass er die Kanzlerin bei ihrem Washington-Besuch zu höheren Ausgaben für die Bundeswehr gedrängt hat?

Bartels: Dass der Etat der Bundeswehr steigen soll, steht im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Für dieses Ziel braucht die Regierung Donald Trump nicht.

Der US-Präsident hat also recht?

Bartels: Die Bundeswehr hat spätestens seit 2014 zwei Hauptaufgaben: Neben Auslandseinsätzen in Afghanistan oder Afrika soll sie wieder für die kollektive Verteidigung in Europa bereitstehen. Das verdoppelt die Anforderungen. Gleichzeitig haben wir momentan die kleinste Bundeswehr aller Zeiten - mit nur 180 000 Soldatinnen und Soldaten - lückenhaft ausgerüstet. Das passt nicht zusammen.

Trotzdem will das Finanzministerium den Verteidigungsetat mittelfristig langsamer wachsen lassen als das Bruttoinlandsprodukt, sich also nicht daran halten, was in der Nato vereinbart ist.

Bartels: Die Verteidigungsausgaben sollen 2018 um 1,5 Milliarden Euro steigen. Das ist quasi der Inflationsausgleich. Damit ist noch nichts Neues zu finanzieren. Ab 2019 muss signifikant mehr kommen. Aber auch kleine Zuwächse müssen zunächst einmal vollständig ausgegeben werden. In den vergangenen Jahren blieben zu oft 10 bis 20 Prozent der Beschaffungsmittel liegen, weil es bei den Verträgen mit der Industrie oder der Abnahme neuer Waffensysteme hakte. Das muss besser werden!

Wie gelingt das? Den aktuellen Zustand der Truppe haben Sie kürzlich als ziemlich alarmierend beschreiben.

Bartels: In der Zeit, in der die Ausgaben für die Bundeswehr von Jahr zu Jahr zurückgefahren wurden, hat sich eine Art Verschleppungsmentalität eingebürgert: Wenn Lieferfristen seitens der Industrie nicht eingehalten wurden, war das für das Verteidigungsministerium oft gar nicht so schlimm, weil die Projektkosten sich dadurch auf noch mehr Jahre verteilen ließen. Durch die vielen Probleme bei den großen, noch immer nicht abgeschlossenen Modernisierungsprojekten hat sich außerdem eine Misstrauenskultur zwischen Amtsseite und Industrie entwickelt, die dazu führte, dass an der Ausarbeitung und Nachbesserung der Projekte teilweise mehr Juristen als Ingenieure beteiligt waren. Besser wäre es anders herum. Jetzt besteht die Chance, das zu ändern.

Allerdings sitzen die Vertragspartner doch an einem Tisch.

Bartels: Stimmt. Umso mehr muss die Politik darauf achten! Einfacher wäre es übrigens, wenn wir es auf der Unternehmensseite mit weniger und dafür stärkeren Vertragspartnern zu tun hätten. Die europäische Rüstungsindustrie sollte sich konsolidieren, um effektiver, schneller und noch leistungsfähiger zu werden. Der Anstoß dafür kann nur von den europäischen Regierungen kommen.

Heißt das, Sie fordern eine staatliche Industriepolitik wie in Frankreich?

Bartels: Ohne Politik geht es nicht. Rüstung ist etwas anders als Konsumgüterproduktion. Für eine eigene starke Luftfahrtindustrie haben übrigens die Europäer seinerzeit auch politisch beschlossen, ein Unternehmen aufzubauen, um dem US-Marktführer Boeing erfolgreich Paroli bieten zu können. So entstand Airbus.

Ist Airbus ein Vorbild für neue Beschaffungsprojekte im Rüstungsbereich?

Bartels: Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um orientiert an diesem Muster eine wirklich europäische wehrtechnische Basis zu schaffen. Dass bisher in Deutschland bei großen Rüstungsprojekten oft mehrere konkurrierende mittelgroße Unternehmen gemeinsam ins Boot geholt wurden, hat die Sache sicher nicht einfacher und billiger gemacht. In jedem Fall kommt es jetzt für Deutschland und Frankreich darauf an, die Initiative zu ergreifen, auch industriepolitisch. In den vergangenen Jahren sind viele Rüstungsschwachstellen schon kritisch analysiert worden. Jetzt muss wirklich etwas passieren. Und es muss schneller gehen als bisher.

Interview: Elisabeth Niejahr