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„Es gilt das Verbot der Zwangsarbeit“ – Interview vom 6.8.2018

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(© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview des Wehrbeauftragten in der „Passauer Neue Presse“ vom 6. August 2018

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans Peter Bartels, hält eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen verfassungsrechtlich für nicht möglich. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will eine Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen. Unionspolitiker fordern bereits die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Brauchen wir Dienstpflicht und Rückkehr der Wehrpflicht?

Bartels: Die Diskussion über eine Dienstpflicht ist ja nicht neu. Einen verpflichtenden Dienst für alle jungen Menschen einmal im Leben für die Gesellschaft zu organisieren, das ist eine sympathische Idee. Das stößt aber auch schnell an verfassungsrechtliche Grenzen. Es gilt das Verbot der Zwangsarbeit.
Deutschland hat sich auch international verpflichtet, dies zu achten. Bisher waren Zwangsdienste ausschließlich zum Zweck der Landesverteidigung erlaubt. Vom Wehrdienst kann dann ein Ersatzdienst abgeleitet werden.

Der Bundeswehr fällt es schwer, Nachwuchs und ausreichend Personal zu gewinnen. Führt da an der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht kein Weg vorbei?

Bartels: Nach der Aussetzung der Wehrpflicht ist die Bundeswehr weiter fundamental geschrumpft worden. Heute gäbe es gar keine militärischen Verbände mehr mit den notwendigen Ausbildungskapazitäten, Unterkünften und Ausrüstung für die Rückkehr zu einer Wehrpflichtarmee. In Zeiten des Kalten Krieges wurden noch Jahr für Jahr 250 000 junge Männer als Wehrpflichtige für 15 Monate in die Bundeswehr eingezogen. Heute hat die Bundeswehr einen personellen Ersatzbedarf von 25 000 Freiwilligen, die jedes Jahr neu gewonnen werden müssen. Gleichwohl: Schweden hatte ein ähnliches Problem und konnte mit einem reinen Freiwilligensystem den Personalbedarf für seine Armee nicht decken. Schweden setzt jetzt auf eine Auswahlwehrpflicht. Ein solches Modell hatte auch zu rot-grünen Zeiten die Weizsäcker-Kommission für die Bundeswehr vorgeschlagen. Darüber könnte man heute auch für die Bundeswehr noch einmal nachdenken.

Das schwedische Modell auch ein Vorbild für Deutschland?

Bartels: Bevor wir über die Rückkehr der Wehrpflicht entscheiden, sollte die Bundeswehr alle Anstrengungen unternehmen, um attraktiver zu werden und so ausreichend Personal zu rekrutieren. Da ist noch Luft nach oben. Erst wenn es nicht gelingt, ausreichend Freiwillige zu gewinnen, müssen wir über Alternativen nachdenken. Das schwedische Modell der Auswahlwehrpflicht wäre da eine mögliche Alternative. Eine Wehrpflicht nur für Männer könnte man heute allerdings wohl nicht mehr aufrechterhalten. Sie müsste dann für Männer und Frauen gelten.

Wie sieht das konkret aus?

Bartels: Alle möglichen Wehrdienstleistenden werden wieder erfasst und gemustert. Die tauglich gemusterten Frauen und Männer würden dann gefragt, ob sie Wehrdienst leisten möchten. Aus dieser Gruppe würden schließlich nach Eignung und Bedarf die passenden Wehrdienstleistenden ausgewählt. Die aktuelle Debatte zielt aber, glaube ich, weniger darauf ab, die Wehrpflicht unbedingt wieder einzuführen, sondern eher eine allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen in verschiedenen Bereichen. Das ist im Prinzip auch eine gute Idee. Aber solch ein Sozialdienst sollte und muss wohl auf Freiwilligkeit basieren. Es gab ja zu Zeiten der Wehrpflicht am Ende rund 180 000 Zivildienstleistende. Die Debatte über einen allgemeinen sozialen Dienst sollten wir führen.

Interview: Andreas Herholz

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