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„Daran darf nicht gerüttelt werden“ – Interview, Dezember 2018

Tageszeitungen

(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

„Interview mit dem Wehrbeauftragten im “JS-Magazin„ vom Dezember 2018“

„Daran darf nicht gerüttelt werden“

JS-Magazin: Wie kommt es, dass es in so vielen Verwendungsreihen zu wenig Personal gibt?

Nach Ende des Kalten Krieges 1990 ist die Bundeswehr von Jahr zu Jahr kleiner geworden. Sie konnte schrumpfen, wie andere Armeen auch, weil die Weltlage das erlaubte. Ein Vierteljahrhundert lang gab es also strukturell immer zu viel Personal. Für vorzeitiges Ausscheiden gab es sogar Prämien. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 gibt es eine neue Lage. Nun geht es in die andere Richtung: Es werden neue Dienstposten eingerichtet, um erkannte Lücken zu schließen. Aber die Besetzung wird schwer.

Haben das Verteidigungsministerium und die Personalführung der Bundeswehr Trends zu spät erkannt? Hätten sie die Personalnot früher erkennen müssen?

Vor 2014? Nein. Viele rechneten bis dahin mit weiteren Schrumpf-Reformen. 2014 ist das Epochenjahr, das sicherheitspolitische Wendejahr. Heute aber konkurriert die Bundeswehr nach Aussetzung der Wehrpflicht als reine Freiwilligenarmee mit einer boomenden Wirtschaft und mit der wachsenden Polizei von Bund und Ländern. Da muss die Bundeswehr weiter an ihrer Attraktivität und auch an einer noch solideren Rekrutierungsorganisation arbeiten. Im Interesse der jungen Interessierten, die zur Bundeswehr wollen, sollte manches schneller gehen.

Was fordern Sie angesichts der angespannten Lage für Soldaten in Mangelverwendungen – welche Standards müssen eingehalten werden?

Zu den Pluspunkten unserer Streitkräfte gehört, dass sie fast alles, was sie brauchen, selbst ausbilden können. Also: In diese Stärken, auch im zivilen Bereich, sollte man stärker investieren! IT-Leute, Rettungssanitäter oder Kampfschwimmer kann die Bundeswehr selbst ausbilden und länger an sich binden, wenn das gut gemanagt wird. Standards absenken wäre der falsche Weg. Und für diejenigen, die ständig in die Bresche springen müssen, wenn wieder ein Nachbardienstposten nicht besetzt ist, gibt es mit der Soldatenarbeitszeitverordnung eine absolute Obergrenze. Daran darf nicht gerüttelt werden.

Was muss passieren, damit sich die Lage bessert?

Geeignete Bewerberinnen und Bewerber müssen auch tatsächlich für die auf sie passenden Verwendungen eingeplant werden. Da höre ich zu oft, dass das „Passen“ ein Wunsch bleibt.

Wie schätzen Sie die Aussichten ein – wird sich die Lage entspannen oder eher mehr zuspitzen?

Es wird schwierig bleiben. Aber mehr Anstrengung lohnt.

Interview: Julia Weigelt

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