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„Das ist die größte Krise“ – Interview, 21.2.2019

Tageszeitungen

(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit dem Wehrbeauftragten in der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ vom 21. Februar 2019

„Das ist die größte Krise“

Herr Bartels, das Verteidigungsministerium sieht in der geplanten Insolvenz der Elsflether Werft Chancen und Risiken zugleich. Was überwiegt bei Ihnen?

Was für Chancen? Wir sehen eine Geschichte unbewältigter Risiken. Und das Ganze droht inzwischen, zu einer unendlichen Geschichte zu werden. Das ist für die Marine nicht gut und für ihre Offiziersausbildung sogar besonders schlecht. Was man jetzt  tun kann, um das Schiff wieder flott zu machen, sollte schnell passieren. Die saubere Aufarbeitung der Skandalgeschichte ist existenziell, sollte aber nicht alles andere aufhalten. Und falls  festgestellt wird, dass eine weitere Reparatur keinen Sinn mehr macht, dann sollte man sich zügig für etwas Neues entscheiden. So oder so.

Wie geht es mit der „Gorch Fock“ weiter?

Das muss die Ministeriumsspitze klären. Schlimm wäre, das Thema noch über Monate und Jahre hin und her zu schieben.

Wie würde es mit der „Gorch Fock“ weitergehen, wenn es nach Ihnen ginge?

Die Marine braucht ein Schulschiff, dieses oder ein neues. Wichtig sind klare Verantwortungsstrukturen. Mir scheint es ein Grundübel der Vergangenheit zu sein, dass jeder nach allen geltenden Regeln seinen Job macht, aber niemand dafür verantwortlich ist, wenn es am Ende nicht gut wird.

Und wer ist verantwortlich?

In dieser Verantwortungsdiffusion können Sie das im Fall Gorch Fock schwer ausmachen. Es gibt viele Beteiligte. Der Bundesrechnungshof hat schon vor 15 Jahren die Verteuerung der damaligen Reparatur moniert  und auch Ausschreibungsfragen aufgeworfen. Seit beinah zwei Jahrzehnten geht das Schiff übrigens immer in die gleiche Werft. Und die verfügt nicht mal über ein eigenes Dock für die Gorch Fock. Es drängt sich die Frage auf: Gibt es wirklich nur diese eine Werft, die solche Arbeiten machen kann, oder warum ist der Eindruck entstanden, dass das so ist? Wem nützt es?

Sie kommen gerade aus dem Verteidigungsausschuss. Was nehmen Sie aus der letzten Stunde mit?

Ich habe in meinem Jahresbericht geschrieben: Der Fall ,Gorch Fock’ zeigt paradigmatisch die Diffusion von Verantwortung in einer zersplitterten Zuständigkeitskultur, wo es niemandes Aufgabe zu sein scheint zu fragen: „Ist das normal, wenn der Reparaturpreis sich von zwei auf 135 Millionen Euro verdreizehnfacht?“ Vielleicht kann das Gorch-Fock-Debakel nun helfen zu lernen, wie Verantwortung wieder wahrnehmbar gemacht wird und nicht einfach verschwindet in einem Labyrinth von Beteiligungsregeln.

Was macht das Thema „Gorch Fock“ mit Ihnen persönlich als Anwalt der Soldaten?

Mir tut es für die Besatzung leid, die seit Jahren darauf wartet, dass es wieder losgeht. Als alter Kieler kann ich auch sagen: Es hat schon stürmische Zeiten für die „Gorch Fock“ gegeben, Krisen, die durch Verbesserungen bewältigt wurden. Aber das, was wir jetzt erleben, ist sicher die größte Krise, in die dieses Symbolschiff bisher gekommen ist.

Interview: Stefan Beuke

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