„Ihr gehört dazu, ganz ausdrücklich“ – Interview, 04.04.2019
Interview mit dem Wehrbeauftragten in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 4. April 2019
„Ihr gehört dazu, ganz ausdrücklich“
Herr Bartels, Sie setzen sich seit Jahren dafür ein, dass es bei der Bundeswehr Imame für muslimische Soldaten geben soll. Ebenso lange prüfte das Verteidigungsministerium die Sache. Warum war das so schwer?
Hans-Peter Bartels: Ja, das frage ich mich auch. In jedem meiner Jahresberichte habe ich das Problem angesprochen. Andere Armeen haben längst Lösungen, zum Beispiel das Bundesheer in Österreich, das zwei Militärimame beschäftigt. Insofern wurde es wirklich Zeit, dass es bald Seelsorger für muslimische Soldaten in der Bundeswehr gibt.
Wie beurteilen Sie den Plan, muslimische Geistliche vertraglich an die Bundeswehr zu binden? Einen Staatsvertrag analog zu den christlichen Kirchen und nun auch der jüdischen Gemeinschaft wird es nicht geben.
Ich begrüße es ganz ausdrücklich, dass es nun auch eine muslimische Seelsorge in der Bundeswehr geben wird. Eine andere Lösung als die vorerst geplante wäre rechtlich kaum möglich gewesen – weil es auf muslimischer Seite keinen zentralen Ansprechpartner gibt. Es muss auch gar nicht eine Lösung analog zur katholischen oder evangelischen Militärseelsorge mit hauptamtlichen Pastoren sein. Wichtig ist jetzt der große Schritt nach vorn. Es wäre darüber hinaus gut, wenn Militärrabbiner und -Imame auch bei der ethischen Bildung im Rahmen der Inneren Führung mitarbeiten, so wie es die katholische und die evangelische Militärseelsorge mit großen Verdiensten schon lange tun. Das vervollständigt nun das gute Angebot der Bundeswehr in diesem Bereich. Das Prinzip der langen Bank ist der Verteidigungsbürokratie leider alles andere als fremd. Aber ich hoffe, dass es jetzt mal zügig geht. Dies ist ein bedeutsames Signal an die muslimischen Soldaten in der Bundeswehr: Ihr gehört dazu, ganz ausdrücklich!
Die Zahl der Muslime in der Bundeswehr ist ja mit offiziell 1500 Soldaten nicht sehr hoch. Warum? Ist die Truppe für sie nicht attraktiv genug?
Bei den Zahlen sind wir auf Schätzungen angewiesen, es muss niemand seine Religionszugehörigkeit angeben. Viele junge Soldaten haben auch zu den christlichen Kirchen keine Bindung mehr. Und den Trend zur Säkularisierung gibt es bei Soldatinnen und Soldaten mit Migrationshintergrund wohl genau so. Die Bundeswehr ist bunt geworden, und zu diesem Bunten gehört auch der Wunsch muslimischer Soldaten, als solche wahrgenommen zu werden. Ministerin von der Leyen hat neulich ein von manchen belächeltes Diversity-Seminar veranstaltet, aber man muss eben manchmal auch dafür sorgen, dass die Buntheit sichtbarerer wird.
Wie stark sind, gerade in der aufgeheizten Stimmung seit 2015, Vorbehalte in der Bundeswehr gegenüber Muslimen?
Es gibt immer wieder Einzelfälle von rassistischen Äußerungen oder Vorfällen, aber zu den größten Problemen der Bundeswehr gehört das glücklicherweise nicht.
Für jüdische Soldaten wird es nun Militärrabbiner geben – ein historischer Moment. Was denken Sie darüber?
Ich bin dem Zentralrat der Juden in Deutschland wirklich dankbar dafür, dass er den Anstoß zur Einführung einer jüdischen Militärseelsorge gegeben hat. Und nach außen hin, in Zeiten eines leider virulenten Antisemitismus, ist es ein großartiges Signal - auch an die jüdischen Deutschen, dass sie in diesem demokratischen Staat und seinen Streitkräften zu Hause sind.
Interview: Joachim Käppner