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„Umsteuern in der Bundeswehr geht viel zu langsam“ – Interview, 07.08.2019

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(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit dem Wehrbeauftragten in der „Nordwest Zeitung“ vom 7. August 2019

„Umsteuern in der Bundeswehr geht viel zu langsam“

Frage: Bundeswehrpiloten klagen über zu wenige Übungsflüge. Die Marine ist so klein wie nie – was läuft falsch bei der Truppe? Was muss die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ändern?

Bartels: Das Umsteuern geht zu langsam. Bis zum Epochenjahr 2014 ist die Bundeswehr jedes Jahr kleiner geworden, man brauchte nur kleine Kontingente für Auslandseinsätze. Seit der Krimannexion aber muss wieder die gesamte Bundeswehr in der Lage sein, ihren Beitrag zur kollektiven Verteidigung in Europa zu leisten, komplett ausgerüstet und personell aufgefüllt. Da hakt es noch. Vieles hätte schneller gehen können. Der Zeitverzug bei der Beschaffung von neuem Gerät ist enorm. Ein Beispiel: Die vier 125er Fregatten hätten längst da sein sollen, sie kommen jetzt, erst nach und nach. Das geplante Einsatzausbildungszentrum für die Marine in Wilhelmshaven wird sogar noch später fertig, irgendwann in den 20er Jahren. Das hätte man längst bauen können. Da fehlt es an Koordination.

Frage: Wäre die Bundeswehr überhaupt in der Lage, sich an einer militärischen Mission im Golf von Persien zu beteiligen?

Bartels: Ja. Dann müsste man Prioritäten setzen. Die wenigen Schiffe, die zur Zeit da sind, müssten entsprechend umgeplant werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass man andere Verpflichtungen hintanstellt. Das ginge. Aber nicht auf Dauer! Unsere Marine war nie kleiner als heute. Von den 15 Fregatten, die auf dem Papier stehen, existieren in der Realität neun.

Frage: 42 Prozent der Bundeswehr-Piloten können nicht genug üben. Geht das nicht an die Einsatzfähigkeit?

Bartels: Das ist ein altbekanntes Dauerproblem. Es gibt diese Misere bei allem, was fliegt. Das reicht von überalterten Marinehubschraubern über die auslaufenden CH53-Hubschrauber bis zu den neuen Modellen NH 90 und Tiger. Von allem steht zu wenig zur Verfügung für die Ausbildung. Auch zu viele Eurofighter waren bislang nicht einsatzbereit. Das soll sich jetzt bessern. Der Jagdbomber Tornado ist ein altes Waffensystem, für das es immer schwieriger wird, noch Ersatzteile zu bekommen. Die notleidende materielle Einsatzbereitschaft geht zu Lasten der Flugstunden im Ausbildungsbetrieb. Dieser Flugstundenmangel treibt die Besatzungen sehr um. Es hat schon Kündigungen wegen der mangelnden Attraktivität der Luftwaffe gegeben.

Interview: Andreas Herholz

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