„Passen wir auf diesen Stern auf!“
I. In meinen Jahresberichten weise ich bekanntlich auf Mängel und Probleme der Bundeswehr hin. Doch natürlich gibt es auch positive Veränderungen, zum Beispiel: Die Eurofighter fliegen wieder mehr. Dafür hat der Inspekteur der Luftwaffe enorm Druck gemacht bei der Industrie, und – oh Wunder – es funktioniert! Die Flugstunden gehen deutlich nach oben. Allerdings fehlen jetzt Fluglehrer.
Bei mir war neulich der britische Luftwaffen-Attaché. Auch er weiß Positives zu berichten: Die Royal Air Force versucht im Moment von der Luftwaffe zu lernen, wie man die Maschinen nach einem Einsatz schneller „drehen“, also wieder in die Luft bekommen kann. Da sind die deutschen Techniker am Boden offenbar Weltmeister. Britische und deutsche Eurofighter sollen in den nächsten Jahren gemeinsam das Air Policing im Baltikum fliegen. Aber nicht mehr entweder die einen oder die anderen, sondern wirklich gemeinsam, idealerweise in gemischten Rotten.
II. Warum erwähne ich das? Weil die Briten unsere Verbündeten, Partner und Freunde bleiben. Und die Soldaten auf der einen wie auf der anderen Seite tun alles dafür, dass wir militärisch mehr gemeinsam machen, nicht weniger.
Dieser eine Stern im Sternenkranz der blauen Europaflagge, der britische Stern wird uns fehlen. In der Nacht ihres EU-Austritts, am 31. Januar, waren die weißen Kreidefelsen von Dover eine Art Leinwand für eine Videoprojektion von Remain-Aktivisten: Auf den Felsen sah man die Gesichter von zwei beinahe hundertjährigen Weltkriegsveteranen. Sie sagten, dass sie in Europa zu Hause bleiben wollen und dass Europa das Beste sei, was es gibt für ihre Kinder, Enkel und Urenkel. Und dass wir auf der anderen Seite des Kanals auf ihren Stern aufpassen sollen.
Das war sehr berührend. Man kann es noch im Internet finden. Was sollen wir darauf antworten? Natürlich, dass wir auf ihren Stern aufpassen! Sie können ihn wiederhaben, wann immer sie nach Hause kommen wollen.
III. Irgendwann muss doch Schluss sein mit Nationalismus und Populismus und fake news! Das wünschen wir Deutsche uns nicht nur für unsere britischen Freunde. Das wünschen wir uns auch transatlantisch – und ich glaube, manchmal wünschen wir uns das auch in unserem eigenen Land. Diese Lust an der Selbstzerstörung, die erst die eine und dann die andere große sympathische Volkspartei ergriffen hat, muss aufhören. Es scheint mir manchmal wie ein Virus des Wahnsinns: die grassierende Selbstgerechtigkeit, die rituelle Beschimpfung des politischen Gegners, die intellektuelle Selbstgenügsamkeit, das gedankenlose Moralisieren, wo Argumente gefragt wären. Streit und Kompromiss gehören dazu, in jeder Familie, in jedem Verein, in den Parteien und zwischen den Parteien. Streit und Kompromiss sind geradezu das Wesen unserer aufgeklärten Demokratie. Machen wir das nicht verächtlich! Unsere Volksparteien müssen in sich Widersprüche aushalten, sie müssen mitten im Leben stehen! Und das Leben fordert nicht von morgens bis abends das ideologischste Entweder-oder, sondern ein realistisches Einerseits-andererseits, ein pragmatisches Sowohl-als-auch!
Und es darf Spaß machen, wenn man diskutiert und Politik macht. Wenn Intrigen, Proporz und Klüngelei zum Selbstzweck werden, bringt es keinen Spaß. Dann möchte da bald niemand mehr mitmachen. Deshalb: aufpassen! Lassen wir unsere demokratischen Parteien nicht allein, sie brauchen im Moment ein bisschen Hilfe! Kritik hilft, und Mitmachen und Bessermachen hilft! Das ist die Demokratie, die unsere Bundeswehr verteidigt.