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„Bundeswehr ist auf alle Szenarien vorbereitet“ – Interview, 26.11.2020

Tageszeitungen liegen aufgefächert auf einer schwarzen Unterlage.

(Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit der Wehrbeauftragten in der „Passauer Neuen Presse“ vom 26. November 2020

„Bundeswehr ist auf alle Szenarien vorbereitet“

Frau Högl, die Bundeswehr zieht aus Kundus ab. Wird der Einsatz der Truppe in Afghanistan jetzt noch gefährlicher, wenn die US-Armee das Land schneller verlässt?

Eva Högl: Seit die Bundeswehr in Afghanistan ist, war und ist der Einsatz nicht ungefährlich. Wichtig ist es jetzt, dass ein Abzug von der Nato koordiniert wird. Die oberste Maxime muss sein: Wir sind zusammen rein, wir gehen alle zusammen wieder raus. Was wir nicht brauchen, ist ein überstürzter, unkontrollierter Abzug der Truppen und dass jedes Land für sich agiert. Die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten muss an oberster Stelle stehen. Damit ein geordneter Rückzug stattfinden kann, ist die Bundeswehr auf alle Szenarien vorbereitet.

Die deutschen Soldaten sind am Hindukusch auf die US-Partner angewiesen. Im Ernstfall müssten sie amerikanische Soldaten retten. Wie kann da der Schutz gewährleistet werden?

Högl: Die USA sind für die Sicherheit aller Einsatzkräfte in Afghanistan unersetzlich. Ich gehe davon aus, dass die Nato in Gesprächen mit den USA die Sicherheitslage auslotet, und hoffe, dass es nicht zum schlimmsten Fall kommt, einem Abzug quasi über Nacht. Im Februar treffen sich die Nato-Verteidigungsminister, das ist der richtige Ort für die weitere Planung. Es muss ja auch entschieden werden, ob die Sicherheitslage in dem Land es erlaubt, nach einem Abzug der Truppen weiter Ausbildungsmissionen durchzuführen. Es wäre zudem wünschenswert, wenn die Nato mit dem designierten Präsidenten Biden Gespräche führt über mögliche Sicherheitsgarantien für die Zeit nach Trump.

Wird Deutschlands Sicherheit auch in Zukunft noch am Hindukusch verteidigt?

Högl: Selbstverständlich wird sich die Bundeswehr weiter im internationalen Kampf gegen den Terrorismus engagieren. Nächstes Jahr ist die Bundeswehr 20 Jahre in Afghanistan. Das ist eine lange Zeit. 59 Soldaten der Bundeswehr sind im Einsatz gestorben. Wir brauchen eine ehrliche Debatte darüber, was wir erreicht haben. Für die Soldatinnen und Soldaten ist es wichtig zu wissen, welchen Beitrag sie für die Sicherheit in dem Land geleistet haben. Die Bundesregierung sollte eine ausführliche Bilanz vorlegen.

Geraten jetzt die Erfolge bei der Stabilisierung und dem Wiederaufbau in Gefahr?

Högl: Ein überstürzter Abzug der Truppen würde das aufs Spiel setzen, was mühsam in Afghanistan erreicht wurde. Er gefährdet auch die Fortschritte im Friedensprozess zwischen der afghanischen Regierung und den radikalislamischen Taliban. Die Folgen für die Sicherheit im Land, aber auch mögliche Migrationsbewegungen in andere Länder sind schwer abwägbar. Deshalb ist es so wichtig, dass wir weiter mit unseren internationalen Partnern im Gespräch bleiben. Ich erhoffe mir von der neuen Regierung in den USA unter Biden ein gutes transatlantisches Miteinander. Europa und die USA müssen zusammenarbeiten, daran führt kein Weg vorbei.

Interview: Andreas Herholz

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