Irritation über Konzern-Bedenken gegen längere Laufzeiten
Berlin: (hib/HLE) Ein Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums hat sich vor dem 2. Untersuchungsausschuss am Donnerstag Abend irritiert gezeigt, dass ein großer deutscher Energiekonzern in der Debatte um die Laufzeitverlängerung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke über das gesetzlich vorgesehene Abschaltdatum am 31. Dezember 2022 hinaus große Bedenken gegen einen Weiterbetrieb geäußert und umfangreiche Nachrüstungen der Meiler für erforderlich gehalten hatte. Die Kernkraftwerke waren durch eine Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz über das geplante Abschaltdatum hinaus bis Mitte April 2023 betrieben worden. Danach wurden die Anlagen abgeschaltet und befinden sich derzeit im Rückbau.
Von Abgeordneten angesprochen auf die Stellungnahme des Energiekonzerns, der die Möglichkeit des Weiterbetriebs der Atomkraftwerke erheblich pessimistischer eingeschätzt hatte als der Ministeriumsbeamte in den dem Ausschuss vorliegenden Unterlagen, sagte der Zeuge, die Angaben des Konzerns zu einem sehr umfangreichen Nachrüstbedarf hätten ihn irritiert. Prüfbedarf habe er aber auch gesehen. Der Konzern hatte argumentiert, es stünden Sicherheitsüberprüfungen mit einem erwartbarem erheblichen Nachrüstbedarf an. „Den Nachrüstbedarf hätten wir so pauschal nicht formuliert“, sagte der Zeuge. Es sei nicht nachzuvollziehen gewesen, dass der Konzern den Nachrüstbedarf schon gesehen habe, ehe die Prüfungen überhaupt stattgefunden hätten. Die Sicherheitsüberprüfungen seien aber auch nicht als entbehrlich anzusehen, sagte der Zeuge. Man sei im seinem Referat im Ministerium aber nicht davon ausgegangen, dass die Anlagen als unsicher anzusehen gewesen wären.
Auf den Hinweis von Abgeordneten, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dessen damaliger Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) sich in der Debatte um einen Weiterbetrieb besonders auf diese Stellungnahme des Energiekonzerns gestützt hätten, wiederholte der Zeuge, er habe das Papier für „nicht abschließend überzeugend“ gehalten.
Der Zeuge erklärte, dass er zusammen mit zwei Referenten einen Vermerk zur Verlängerung der Laufzeiten mit Datum vom 1. März 2022 erstellt habe. Darin waren hinsichtlich des Betriebs von Kernkraftwerken in Deutschland über das Jahresende 2022 „aus technischer Sicht drei Szenarien diskutiert“ worden, die mit der Aufrechterhaltung der Nuklearsicherheit vereinbar wären. Nach Angaben des Zeugen war mit dem Vermerk keine abschließende Bewertung vorgenommen worden.
Ein weiterer Zeuge, der im Umweltministerium im Jahr 2022 für Strahlenschutz zuständig war, erklärte, in der Debatte über den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke habe seine Abteilung keine Rolle gespielt. Fragen zum Strahlenschutz seien nicht relevant gewesen. Angesichts des Ukraine-Krieges sei man mit der radiologischen Notfallvorsorge befasst gewesen. Es seien Szenarien von Atomunfällen bis hin zu einem Szenario des Einsatzes von Atomwaffen bedacht worden. Man habe auch den allgemeinen Notfallplan des Bundes fertiggestellt und internationalen Austausch zu Strahlenschutz-Themen gepflegt sowie für Unterstützung der Ukraine gesorgt. Die Risiken für die Atomanlagen in der Ukraine hätten ihn seinerzeit sehr stark beschäftigt, erklärte der Zeuge.