02.12.2024 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 828/2024

Ex-Minister Müller lobt Abstimmung in Afghanistan-Politik

Berlin: (hib/CRS) Der ehemalige Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat am vergangenen Donnerstag vor dem 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan die aus seiner Sicht positive Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts in der Afghanistanpolitik betont. Der Ausschuss untersucht die Ereignisse zwischen der Unterzeichnung des Doha-Abkommens im Februar 2020, mit dem die USA und die Taliban den Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan regelten, und der militärischen Evakuierung vom Flughafen Kabul Mitte August 2021.

Müller, der heute in Wien Generaldirektor einer UN-Institution ist, berichtete dem Ausschuss über die seiner Meinung nach „hervorragende Zusammenarbeit“ zwischen seinem Ministerium, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), und anderen Ressorts einerseits sowie den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Afghanistan andererseits. Er sei nur einmal im Jahr 2019 nach Afghanistan gereist und habe später beschlossen, davon abzusehen, weil Reisen außerhalb Kabuls nicht möglich gewesen seien.

Der ehemalige Bundesminister unterstrich, das Afghanistan-Mandat der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sei „im Gesamtumfang Nummer 1“ gewesen. Erfolge der EZ in Afghanistan seien bemerkenswert und bleibend.

Die Sicherheitslage vor Ort sei sehr schwierig gewesen, aber er habe mit Staatssekretär Jäger einen Mitarbeiter mit sehr guten Ortskenntnissen gehabt. Martin Jäger, der ein Jahr lang als Botschafter in Kabul tätig war, habe als ehemaliger Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes offiziellen und inoffiziellen Zugang gehabt.

Das Doha-Abkommen sei eine „absolute Überraschung“ gewesen, führte Müller aus. Obwohl es zunächst nur Auswirkungen auf den militärischen Einsatz gehabt habe, habe man sofort für die Entwicklungszusammenarbeit entschieden, sich auf zwei Szenarien einzustellen: „Schneller Abzug oder ein Verbleiben der EZ im Land.“ Nach dem Doha-Abkommen sei nicht sofort erkennbar gewesen, wie die Lage eskalieren würde, und die Zahl der Gefahrenanzeigen afghanischer Ortskräfte sei bis zum Fall Kabuls nicht hoch gewesen. „Die Meinung in der Community“ sei gewesen, dass die EZ im Land bleiben solle. Als die Taliban immer größere Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht hätten, habe die EZ ihre Arbeit in diesen Regionen beendet.

Bei der Einschätzung der Sicherheitslage habe man sich auf die Lageeinschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Auswärtigen Amtes stützen müssen, jedoch „Zugang zu allen Informationen“ gehabt, so Gerd Müller. Dazu habe er im ständigen Dialog mit Jäger gestanden, aber auch mit den NGOs zusammengearbeitet, um zu erfahren, wie diese die Sicherheitslage einschätzten.

„Wenn jemand sagte, ich will raus, oblag es der Lageeinschätzung vor Ort“, sagte der Ex-Minister in Bezug auf die Ortskräfte. Die Maßgabe sei gewesen, „keine Gefahr für die Mitarbeiter“ zuzulassen, und das Ergebnis sei befriedigend gewesen: „Es gab keine Toten und keine ernsthaften Bedrohungen.“

Später sei auch sehr schnell eine Taskforce mit 10 Personen gegründet worden, die mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GiZ) vernetzt war. „Wir hatten uns auf verschiedene Szenarien vorbereitet“, gab Müller zu Protokoll, „es hätte auch der 'worst case' eintreten können, dass Ortskräfte verschleppt und getötet werden“.

Kurz bevor die Taliban Kabul einnahmen, sei er im Urlaub gewesen, berichtete Müller. Es habe „keinen täglichen Lageaustausch“ gegeben, aber einen „gut organisierten Austausch“, erläuterte er weiter. Wichtig sei gewesen, „dass es in einer Urlaubsphase eine klare Verantwortlichkeit in den Ministerien“ gegeben habe, und das sei der Fall gewesen. Man werde als Minister auch im Urlaub in Entscheidungen eingebunden. Alle Entscheidungsabläufe seien professionell gewesen. Es sei wichtig gewesen, dass richtige Entscheidungen getroffen wurden - und diese seien getroffen worden. „Wenn es notwendig gewesen wäre, wäre ich ins Ministerium gegangen“, sagte Müller.

Nach der Machtübernahme der Taliban habe die Gefahrenlage neu bewertet werden müssen. Das BMZ habe dafür operationalisierbare Szenarien gehabt, führte Müller aus, konnte aber keine Auskunft darüber geben, wie diese Szenarien konkret aussahen. „Wenn es ein Szenario gibt, gehe ich davon aus, dass in der entsprechenden Abteilung auch die Dokumente dazu existieren“, sagte er.

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ministerien in Berlin bezeichnete Gerd Müller wiederholt als „hervorragend“. Auch auf Staatssekretärs-Ebene sei es „sehr professionell“ gelaufen. Die Abstimmung zwischen den Häusern sei andauernd und reibungslos gewesen: „Wir haben immer alle am gleichen Strang gezogen.“

Die Grundentscheidungen in seinem Ministerium habe er im Austausch mit den Fachreferaten selbst getroffen, berichtete Müller. Staatssekretär Jäger sei sowohl bei operativen als auch bei grundsätzlichen Entscheidungen stets beteiligt gewesen und habe seine volle Rückendeckung gehabt. Die Entscheidungen über die Gefahrenanzeigen der Ortskräfte, so betonte der CSU-Politiker, seien jedoch Entscheidungen über Einzelfälle gewesen. Dazu sei ein ordnungsgemäßes Verfahren eingesetzt worden. „Es hat nicht der Minister entschieden, ob Herr oder Frau XY aufgenommen wird“, sagte er.