Vierte Klärstufe: Zahlen zum Ausbaubedarf fehlen noch
Berlin: (hib/SAS) Um den Vorgaben der neuen Europäischen Kommunalabwasserrichtlinie, die am 5. November von EU-Rat und EU-Parlament final beschlossen wurde, zu entsprechen, müssen künftig Kläranlagen in Kommunen mit über 150.000 Einwohnern mit einer vierten Klärstufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen nachgerüstet werden. Einer Antwort der Bundesregierung (20/14519) zufolge ist aber weiterhin ungewiss, wie viele der Anlagen in Deutschland davon betroffen sind. Die Bewirtschaftung der Gewässer liege in der Zuständigkeit der Länder, schreibt die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14224). Eine erste Abfrage habe ergeben, dass sich „derzeitig noch keine belastbaren Zahlen ermitteln lassen“.
Für „Kläranlagen zwischen 10.000 bis 149.999 Einwohnerwerten“ müssten die EU-Mitgliedstaaten zudem keine bestimmte Anzahl an Kläranlagen ermitteln, erklärt die Bundesregierung weiter. Bis zum 31. Dezember 2030 müssten die Mitgliedstaaten aber eine Liste der Gebiete in ihrem Hoheitsgebiet melden, in denen die Konzentration oder Akkumulation von Mikroschadstoffen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstelle. Ob der Ausbau einer Kläranlage innerhalb eines solchen Risikogebiets notwendig sei, hänge auch vom Ausbau anderer Anlagen in einem Risikogebiet und der Erreichbarkeit bestimmter Gewässergüteziele ab.
Als Antwort auf die Frage, wann voraussichtlich eine Risikobewertung vorliefen wird, verweist die Bundesregierung darauf, dass die EU-Kommission noch keine „Durchführungsrechtsakte“ zur Festlegung des Formats der Risikobewertung und der dafür zu verwendenden Methode erlassen habe. Wann diese zu erwarten sind, sei ihr nicht bekannt, schreibt die Bundesregierung. Zur Höhe der voraussichtlichen Kosten der Nachrüstung könne sie weiterhin keine Angaben machen.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte im Juli 2024 eine Studie veröffentlicht, wonach sich die Kosten für Ausbau und Betrieb der vierten Klärstufe bis 2025 auf rund neun Milliarden Euro belaufen könnten. 80 Prozent davon sollen - so sieht es die EU-Kommunalabwasserrichtlinie vor -durch die Hersteller von Arzneimittel- und Körperpflegeprodukten getragen werden. Diese stellen die Höhe der vom VKU prognostizierten Kosten jedoch infrage: Nach eigenen Berechnungen komme man auf „das Doppelte der VKU-Prognose“, so der Branchenverband Pharma Deutschland im November. Die Bundesregierung unterschätze die Umsetzung der vierten Klärstufe und damit verbundene Folgen für die Pharmaindustrie „bisher massiv“.