27.09.2022 Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen — Anhörung — hib 484/2022

Aufteilung der CO2-Kosten im Wohnungsmarkt bleibt strittig

Berlin: (hib/VOM) „Es gibt große Skepsis, das Gesetz so einzuführen“, fasste die Linken-Abgeordnete Caren Lay den Verlauf der öffentlichen Anhörung zum sogenannten Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz zusammen. Uneingeschränkte Zustimmung war auch von Seiten der geladenen Sachverständigen im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Montagnachmittag zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3172) nicht zu vernehmen. Gegenstand der Anhörung war zudem der Antrag der Linken (20/1329), die Kohlendioxidkosten nicht allein den Mietern aufzubürden.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab 2023 die Kosten des Kohlendioxidausstoßes aufgrund von Heizung und Warmwasser in Gebäuden zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden müssen, und zwar abgestuft entsprechend dem Kohlendioxidausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche und damit entsprechend der energetischen Qualität des Gebäudes. Auf Vermieterseite will die Regierung dadurch einen Anreiz schaffen, in klimaschonende Heizungssysteme und energetische Sanierungen zu investieren. Die Mieterseite soll motiviert werden, sich energieeffizient zu verhalten.

Konkret sieht der Entwurf des Kohlendioxidaufteilungsgesetzes ein Stufenmodell für die Aufteilung vor. Die Regelungen sollen unbefristet gelten, spätestens zum Ablauf der Festpreisphase des Brennstoffemissionshandelsgesetzes Ende 2025 um ein Stufenmodell für Nichtwohngebäude ergänzt und bis zum 30. September 2026 evaluiert werden, heißt es in der Vorlage. Die erforderliche Datengrundlage soll bis Ende 2024 erarbeitet werden.

Tim Bagner vom Deutschen Städtetag begrüßte den Gesetzentwurf, meinte aber auch, das Thema der Gebäudeeffizienz hätte noch in den Blick genommen werden müssen. Wichtig sei für die Kommunen, beim Gebäude- und Wohnungsregister voranzukommen, um Sanierungsmaßnahmen voranzubringen.

Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, betonte, Einsparungen erreiche man nicht durch eine Änderung des Verbrauchsverhaltens, sondern durch den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. In Deutschland seien rund 64 Prozent aller Wohngebäude vor 1979 errichtet worden. Gerade diese Bestandsbauten verbrauchten am meisten Energie. 66 Prozent aller Häuser aus dieser Zeit wiesen die schlechtesten Energieklassen F, G oder H auf. Im vorgelegten Stufenmodell müssten 80 Prozent der Mieter künftig mehr als die Hälfte der CO2-Bepreisung tragen. Damit sei das Modell für die Mieter überwiegend schlechter als die im Koalitionsvertrag vorgesehene hälftige Aufteilung zwischen Mietern und Vermietern. Bartels riet dazu, den Energiebedarfsausweis mit verbrauchsunabhängiger Basis für die Kostenaufteilung heranzuziehen.

Sibylle Braungardt, Senior Researcher für Energie und Klimaschutz beim Öko-Institut, schlug vor, man könne auch die Energiebedarfsausweise als Grundlage nehmen. Kurzfristig sei dies aber nicht möglich, weil sie nicht flächendeckend vorlägen. Sie plädierte zudem dafür, die Evaluierung von 2026 mindestens um ein Jahr vorzuziehen. Eine Anpassung der Stufen sei notwendig, wenn die Kohlendioxidemissionen im Gebäudesektor sinken und somit mehr Gebäude in die oberen Stufen gelangen würden, in denen Mieter den höheren Kostenanteil tragen. Das reduziere die Anreizwirkung bei den Vermietern.

Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte den Gesetzentwurf, diagnostizierte aber einige Schwächen. Nach dem Stufenmodell müsse der Mieter auch bei der schlechtesten Stufe noch zehn Prozent der CO2-Kosten tragen. Hier sollten die Vermieter hundert Prozent übernehmen, so Engelke. Auch sollte transparent gemacht werden, wie die einzelnen Stufen errechnet wurden. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Stufeneinteilung allein vom Heizverhalten abhängig sein soll. Die Zuweisung eines Gebäudes in eine höhere, energieärmere Stufe führe zu einer höheren Kostenbeteiligung der Mieter. Engelke plädierte für den Energiebedarfsausweis als Bemessungsgrundlage, bis dahin sollten die Kosten hälftig zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden.

Stefanie Frensch, Geschäftsführerin der Becker & Kreis Holding GmbH & Co. KG, die zugleich für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) sprach, befürwortete ebenfalls den Energiebedarfsausweis als Grundlage und das zeitliche Vorziehen der Evaluierung. 20 Prozent der Gebäude seien denkmalgeschützt mit einem hohen Aufwand für die Instandhaltung. Hier entstünden die meisten Sanierungskosten. Dämmung oder Solarstrom sei hier kaum möglich.

Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, plädierte für die Aussetzung der CO2-Bepreisung auf Wärmeenergie für Gebäude. Durch die hohen Gaspreise sei Energie bereits so teuer geworden, dass die Lenkungswirkung der zusätzlichen CO2-Bepreisung für fossile Wärmeenergie keine Wirkung mehr habe. Der Gesetzentwurf sollte nach Meinung Salewskis grundlegend überarbeitet werden.

Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund, dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, sagte, der CO2-Preis solle lenken und nicht die Menschen arm machen. Für private Vermieter klinge es wie Hohn, dass ihre zusätzliche Belastung dazu führen soll, in die Gebäudesanierung zu investieren. In Eigentümergemeinschaften könne der einzelne Wohnungseigentümer über eine Sanierung nicht selbst entscheiden. Die meisten Bestandsgebäude würden nie die höchste Effizienzstufe erreichen. Warnecke hält es nach eigenen Worten für sinnvoll, in der jetzigen Situation den CO2-Preis auszusetzen.

Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, sagte, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Staat die Mieter in dieser Situation zusätzlich belaste. Da sie bisher hundert Prozent des CO2-Preises zahlen müssten, sei es zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch gebe es Verbesserungsbedarf bei der Transparenz und Praktikabilität. Sie erinnerte daran, dass über die CO2-Bepreisung vor dem Ukraine-Krieg diskutiert worden sei. Wenn es nicht gelinge, die Mieter ausreichend zu entlasten, sollte das Instrument ausgesetzt werden, befand sie. Der Gesetzgeber sollte die Verteilungswirkung nochmals überprüfen.

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