Nachbesserungen an der Triage-Regelung gefordert
Berlin: (hib/PK) Die von der Bundesregierung geplante Triage-Regelung wird von Fachverbänden im Grundsatz begrüßt. Allerdings fordern die Experten einige Nachbesserungen am Gesetzentwurf, um die Reform in der Praxis handhabbar zu machen. Die Sachverständigen äußerten sich in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetz (IfSG) reagiert die Bundesregierung auf die sogenannte „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Der Gesetzentwurf (20/3877) diene dazu, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren, heißt es in der Vorlage. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, in den gesetzlichen Regelungen müsse berücksichtigt werden, dass die geplanten Entscheidungsabläufe nur dann eingehalten werden könnten, wenn ein geordnetes Verfahren überhaupt noch möglich ist. Ärzte seien in absoluten Krisensituationen gezwungen, Zuteilungsentscheidungen schnell zu treffen, gab der Verband zu bedenken. Zudem könne es nicht nur aufgrund einer ansteckenden Krankheit oder Pandemie zur Triage kommen. Weitere Notsituationen seien denkbar, die eine Priorisierung bei der Behandlung erforderten, etwa Unfälle und andere Großschadenereignisse oder Naturkatastrophen mit vielen Verletzten.
Nach Ansicht des Sozialverbandes VdK müssen Bund und Länder alles tun, um Triage-Situationen zu verhindern. Zu begrüßen sei, dass der Abbruch einer intensivmedizinischen Behandlung zugunsten eines Patienten mit größeren Überlebenschancen (Ex-Post-Triage) untersagt werden solle.
Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) fordern hingegen nachdrücklich die Möglichkeit einer rechtssicheren Ex-Post-Triage, weil es andernfalls keine Zuteilungsentscheidungen in der Intensivmedizin geben würde und das Gesetz ins Leere liefe. Dem Entwurf zufolge wäre die in einer Notaufnahme oder im präklinischen Rettungsdienst unter maximalem Zeitdruck und mit einer unvollständigen Datenlage getroffene Entscheidung für eine Therapie unumkehrbar, selbst wenn sich im weiteren Verlauf der Behandlung die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten als gering herausstellen sollte.
Ein Verbot der Ex-post-Triage würde die Ärzte erheblich verunsichern, weil die Befürchtung bestünde, dass eine einmal begonnene Intensivbehandlung nicht abgebrochen werden dürfe, argumentierten die Medizinverbände. Die Bundesärztekammer (BÄK) und andere Sachverständige äußerten sich ähnlich. Die Frage der Ex-Post-Triage spielte in der Anhörung eine herausgehobene Rolle.
In der Anhörung beklagten Sachverständige, dass Menschen mit Behinderung bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs nur unzureichend berücksichtigt worden seien, obwohl die Reform auf einer Verfassungsbeschwerde Betroffener gründe. Die Alltagserfahrungen von Menschen mit Behinderung bei Ärzten und im Krankenhaus wären als Grundlage für den Gesetzentwurf wichtig gewesen, hieß es, zumal Behinderte im Gesundheitswesen strukturell benachteiligt würden.