16.01.2023 Recht — Gesetzentwurf — hib 23/2023

Beschleunigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben

Berlin: (hib/SCR) Zur Beschleunigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben will die Bundesregierung verwaltungsgerichtliche Verfahren zeitlich straffen. Ziel sei es, die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer „hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung“ weiter zu reduzieren, „ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen“, heißt es in dem nun in den Bundestag eingebrachten Regierungsentwurf (20/5165). Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme diverse Änderungswünsche an dem nicht zustimmungspflichtigen Entwurf angebracht, die die Regierung allesamt ablehnt. Die Vorlage will der Bundestag am Donnerstag, 19. Januar 2022, in erster Lesung beraten.

Die Beschleunigung soll laut Entwurf zum einen konkret die Verfahren betreffen, für die Paragraf 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe regelt. Das sind beispielsweise Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von über 50 Metern oder auch Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes oder für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen oder Bundesfernstraßen und Eisenbahnstrecken. Zum anderen betreffen die Neuregelungen Verfahren, für die nach Paragraf 50 VwGO Absatz 1 Nummer 6 VwGO das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Das betrifft sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die beispielsweise im Allgemeinen Eisenbahngesetz, dem Bundesfernstraßengesetz oder dem Energieleitungsausbaugesetz bezeichnet sind.

Um die Verfahren zu beschleunigen, schlägt die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eine Spezialisierung bei den Gerichten vor. Die bisherige Kann-Regelung in Paragraf 188b VwGO, nach der für Angelegenheiten des Planungsrechts besondere Kammern oder Senate gebildet werden können, soll zu einer Soll-Regelung werden. „Durch die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper soll gewährleistet werden, dass Richterinnen und Richter mit besonderen Kenntnissen im Planungsrecht und einem besonderen Verständnis von planungsrechtlichen Zusammenhängen in diesen Verfahren eingesetzt werden“, heißt es zur Begründung.

Laut Entwurf soll in einem neuen Paragraf 87c für diese Verfahren ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot eingeführt werden. Besonders priorisiert werden sollen Verfahren über Vorhaben, „wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen“. Grundsätzlich soll das Gericht in all diesen Verfahren innerhalb von zwei Monaten nach Klageerwiderung einen Erörterungstermin ansetzen mit dem Ziel einer gütlichen Einigung. Kommt diese nicht zustande, soll der weitere Verfahrensablauf mit den Beteiligten erörtert werden.

Für die Verfahren will die Bundesregierung zudem die Regelung zur innerprozessualen Präklusion verschärfen und ausweiten. Abweichend von der bisherigen Kann-Regelung in Paragraf 87b VwGO soll das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die nach Fristablauf vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlung entscheiden müssen, wenn „die Verspätung nicht genügend entschuldigt und über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist“. Laut Begründung soll so der Prozessstoff begrenzt und das Verfahren dadurch gestrafft werden.

Auch die Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz in diesen Verfahren sollen dergestalt modifiziert werden, „dass schneller mit der Umsetzung von Vorhaben begonnen werden kann“. Konkret soll das Gericht dem Entwurf zufolge in diesen Verfahren für die in den Paragrafen 80 und 80a geregelte Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bestimmte Mängel des angefochten Verwaltungsaktes insbesondere dann außer Acht lassen können, wenn absehbar ist, dass der betreffende Mangel in absehbarer Zeit behoben sein wird. Im Rahmen der Vollzugsfolgenabwägung soll die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränkt werden, „die zur Verhinderung anderenfalls drohender irreversibler Nachteile erforderlich sind“. Bei der Abwägung soll zudem die Bedeutung von Vorhaben besonders zu berücksichtigen sein, „wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen“.

Der Entwurf sieht zudem Anpassungen in anderen Gesetzen vor. Im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz soll in Paragraf 6 künftig neben der zehnwöchigen Frist zur Klagebegründung eine ebenfalls zehnwöchige Frist zur Klageerwiderung eingefügt werden. Im Energiewirtschaftsgesetz soll in Paragraf 43e Absatz 3 die Klagebegründungsfrist von sechs auf zehn Wochen ausgeweitet und um Regelung zum Umgang mit nicht fristgerecht vorgebrachten Erklärungen und Beweismitteln ergänzt werden. Im Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz soll in Paragraf 16 Absatz 5 bezüglich der Anfechtungsklage auf die geplante Neuregelung im Energiewirtschaftsgesetz verwiesen werden, die - unter Maßgaben - auch für Verpflichtungsklagen auf Erlass oder Aufhebung einer Veränderungssperre greifen soll.

In seiner Mitte Dezember beschlossenen Stellungnahme wendet sich der Bundesrat unter anderem gegen die geplante Zwei-Monats-Frist für die Erörterungstermine. Sie sei „zu kurz bemessen“. Auf die Regelung soll nach Auffassung der Länder gänzlich verzichtet werden. Dem folgt die Bundesregierung nicht. Die Regelungen ließen „hinreichend Flexibilität auch in zeitlicher Hinsicht“, heißt es in der Gegenäußerung.

Ebenfalls auf Ablehnung bei der Bundesregierung schlägt der Vorschlag des Bundesrates, die geplante organisatorische Neuregelung in Paragraf 188b VwGO erst zum 1. Januar 2024 in Kraft treten zu lassen und nicht am Tag nach der Verkündung. Die Länderkammer hatte unter anderem auf nötige Vorlaufzeiten hingewiesen. Die Bundesregierung verweist auf die Soll-Regelung im Entwurfstext, die „auch in zeitlicher Hinsicht Flexibilität bei der Geschäftsverteilung“ lasse.

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