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Geschichte

Vor 60 Jahren: Bundestag tagt erstmals in Berlin

Plenum des Bundestages in Berlin im physikalischen Hörsaal der Technischen Universität

Sitzung des Bundestages im physikalischen Hörsaal der Technischen Universität Berlin am 19. Oktober 1955 (picture-alliance)

Vor 60 Jahren, am 19. Oktober 1955, tagte der Deutsche Bundestag zum ersten Mal in Berlin. Als provisorischer Plenarsaal war ein Hörsaal im Physikalischen Institut der Technischen Universität hergerichtet worden. Bundestagspräsident Dr. Eugen Gerstenmaier betonte die historische Bedeutung dieser Sitzung: „Der Deutsche Bundestag beginnt seine Arbeit in Berlin in dem Bewusstsein, dass seit dem Jahre 1933 in dieser Stunde zum ersten Male wieder eine freigewählte, legitime oberste gesetzgebende Körperschaft des deutschen Volkes ihre Arbeit hier aufnimmt.“ Sechs Jahre nach der Konstituierung des 1. Deutschen Bundestages am 7. September 1949 in der provisorischen Bundeshauptstadt Bonn war das Bonner Parlament für eine Arbeitswoche in die alte Hauptstadt Berlin gekommen. West-Berlin gehörte nach dem Grundgesetz zwar zur Bundesrepublik Deutschland, durfte aber nicht von ihr regiert werden. Berlin stand unter alliiertem Vorbehalt. 

Verbundenheit mit dem geteilten Berlin

Die Berliner Sitzungswoche diente den Abgeordneten deshalb vor allem dazu, die Verbundenheit mit dem geteilten Berlin zu demonstrieren und zu zeigen, dass man sich mit einer Zwei-Staaten-Lösung für Deutschland nicht abfinden werde. Hauptstadt eines geeinten Deutschlands und Sitz der leitenden Bundesorgane sollte Berlin sein, sobald allgemeine, freie, gleiche, geheime und direkte Wahlen in ganz Berlin und in der Sowjetischen Besatzungszone durchgeführt sind. Darin waren sich alle einig.

„Der Bundestag will damit kundtun, dass er sich für das Schicksal dieser Stadt mit verantwortlich fühlt. Die Freiheit Berlins und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes sind ein selbstverständlicher Inhalt und ein entscheidendes Ziel der deutschen Politik. Darin ist sich dieses Haus einig, auch wenn die Meinungen über den besten Weg zu diesem Ziel auseinandergehen“, stellte Gerstenmaier deshalb zum Auftakt der Berliner Sitzung klar. „Wenn die Wiedervereinigung Deutschlands und - ich darf wohl auch hinzufügen - die Wiederherstellung Berlins als Reichshauptstadt in den freien Entschluss dieses Hauses gestellt wären, dann wäre beides längst gelöst und vollendet.“

„Erfolgreicher Wiederaufbau“

Gleichzeitig betonte er aber: „Der Bundestag ist nicht nach Berlin gekommen, um hier eine Feierstunde abzuhalten, sondern um zu arbeiten. Es ist wichtig, dass wir von Zeit zu Zeit in unserer Arbeit innehalten, um unser Tun und Lassen vor der geschichtlichen Vergangenheit und der Zukunft der Nation zu prüfen. Wichtiger aber ist, dass wir uns im parlamentarisch-politischen Alltag redlich um die uns gestellten Aufgaben bemühen.“ Als Hauptthema der ersten Plenarsitzungen in West-Berlin hatten sich die Fraktionen auf die schon lange auf der Agenda stehende Debatte zur konjunkturpolitischen Lage in Deutschland geeinigt.

Dass diese Konjunkturdebatte hier in Berlin stattfindet, erachtete auch die Bundesregierung als einen glücklichen Umstand, den sie, wie der Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Ludwig Erhard in seiner Regierungserklärung betonte, zu diesem Zeitpunkt und hier in Berlin im Einvernehmen mit den Fraktionen des Hohen Hauses bewusst herbeigeführt hatte, denn: „Wenn wir die wirtschaftlichen Sorgen des freien Deutschlands hier in Berlin in aller Offenheit besprechen, so erkennt die ganze Welt, dass es jene glücklichen Sorgen sind, die sich aus dem erfolgreichen Wiederaufbau und der vollen Ausnutzung aller Produktivkräfte für Zwecke der menschlichen Wohlfahrt ergeben. Eine blühende deutsche Volkswirtschaft mag unseren deutschen Brüdern im Osten Hoffnung und die Gewissheit geben, dass hier im Materiellen, im Seelischen und im Geistigen die Kraft lebendig ist, die die Lebensmöglichkeiten der Menschen im deutschen Osten mit dem Tage der Wiedervereinigung schnell auf das Niveau des freien Deutschland heben kann.“ 

„Freiheitliche Staats-, Gesellschafts- und Sozialordnung“

In sonst ungewohnter Einigkeit mit der Bundesregierung erklärte auch der sozialdemokratische Oppositionsvertreter und Wirtschaftsexperte Dr. Heinrich Deist: „Wir sind stolz darauf, hier in Berlin feststellen zu können, dass die einmalige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den letzten zehn Jahren die Frucht einer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung war, die auf dem Fundament der Freiheit beruht.“

Gerade in Berlin sollte man klar herausstellen „dass auch die Wirtschaftspolitik einer höheren Aufgabe untergeordnet ist, nämlich der, unter Beweis zu stellen, dass die freiheitliche Staats-, Gesellschafts- und Sozialordnung unter allen Umständen menschenwürdiger und daher wertvoller und es wert ist, verteidigt zu werden, als irgendeine andere“, bekräftigte auch der Wirtschaftspolitiker der CDU/CSU-Regierungsfraktion Dr. Fritz Hellwig:

40 Anträge zur Konjunkturpolitik

Soviel Nähe der Opposition mit den Regierungsparteien stimmte den FDP-Abgeordneten Walter Scheel zuversichtlich: „Ich habe keine Sorge, dass wir gemeinsam auch die schwere Aufgabe meistern werden, die uns erwartet, wenn der Tag der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes endlich herbeikommt.“

Die Konjunkturpolitik beschäftigte die Abgeordneten auch am folgenden und letzten Sitzungstag dieser Berliner Arbeitswoche. Am Ende wurden 40 Anträge der Bundestagsfraktionen zum Thema an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Bei allen Differenzen in Fragen der Konjunkturpolitik und der Preisgestaltung schlossen fast alle Redebeiträge einhellig mit dem Appell, die deutsche Wiedervereinigung anzustreben. „Wir möchten also nicht nur häufig nach hier kommen, sondern wir möchten am liebsten hier bleiben“, brachte es der spätere Bundespräsident Walter Scheel auf den Punkt.

Vorläufig letzte Sitzung in Berlin am 7. April 1965

Zehn Jahre währten die „Bonner Ausflüge“ nach West-Berlin, bis die Parlamentarier am 7. April 1965  zu ihrer vorläufig letzten Plenarsitzung in Berlin zusammenkamen. Nach heftigen Protesten der Sowjetunion und der DDR unterließen die Abgeordneten in der Folge weitere Sitzungen. Ab 1971 wurden Sitzungen des Bundestages und der Bundesversammlung in Berlin durch die Alliierten gänzlich untersagt.

In den kommenden Jahren bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 hatten sich die Volksvertreter an ihren provisorischen Parlamentssitz in Bonn gewöhnt. Der Umzug des gesamtdeutschen Parlaments nach Berlin war für viele Abgeordnete längst nicht mehr selbstverständlich. Nur mit knapper Mehrheit beschloss der Deutsche Bundestag am 20. Juni 1991 den Umzug vom Rhein an die Spree. Von 660 abgegebenen Stimmen waren 320 auf Bonn entfallen, 338 auf Berlin. Es gab eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Seit dem 4. Oktober 1999 tagt der Deutsche Bundestag endgültig wieder in Berlin. (klz/15.10.2015)

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