Geschichte

Vor 100 Jahren: Friedrich Ebert als erster Reichspräsident vereidigt

Der Präsident der Deutschen Nationalversammlung Dr. Konstantin [Constantin] Fehrenbach nimmt in Weimar die Vereidigung des 1. Präsidenten der Republik Friedrich Ebert vor.

Friedrich Ebert (rechts) wird vom Präsidenten der Deutschen Nationalversammlung Constantin Fehrenbach (links) als erster Präsident der Republik vereidigt. (Bundesarchiv)

Vor 100 Jahren, am Donnerstag, 21. August 1919, wurde Friedrich Ebert (1871-1925) als erster Reichspräsident der Weimarer Republik vor der Weimarer Nationalversammlung auf die von ihr geschaffene neue Verfassung vereidigt. Die verfassunggebende Versammlung war zu diesem Anlass am Nachmittag um 17 Uhr zu ihrer 86. Sitzung im Weimarer Nationaltheater zusammengekommen.

Die Verfassung des Deutschen Reichs war nach ihrer Verabschiedung am 31. Juli 1919 am 14. August in Kraft getreten. Ebert, der bereits am 11. Februar 1919 mit 277 von 328 gültigen Stimmen (abgegebene Stimmen 379) nach dem „Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt“ von der Weimarer Nationalversammlung zum ersten Reichspräsidenten gewählt worden war, leistete nun den in Artikel 42 vorgesehen offiziellen Amtseid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reichs wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

„Für Freiheit, Recht und soziale Wohlfahrt!“

Nach seiner Vereidigung erklärte er: „Das Wesen unserer Verfassung soll vor allem Freiheit sein, Freiheit für alle Volksgenossen. Aber jede Freiheit, an der mehrere teilnehmen, muss ihre Satzung haben. Diese haben Sie geschaffen; gemeinsam wollen wir sie festhalten. Aus Ihrem Vertrauen bin ich an die erste Stelle im Deutschen Reich gestellt worden, in Ihre Hand habe ich das Gelöbnis abgelegt, die von Ihnen für das deutsche Volk geschaffene Verfassung treu zu wahren. Ihr Vertrauen wird mir die Kraft geben, immer der Erste zu sein, wenn es gilt, Bekenntnis und Zeugnis abzulegen für den neuen Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: Für Freiheit, Recht und soziale Wohlfahrt!“

Der überzeugte Demokrat war stets für eine freiheitlich demokratische Grundordnung eingetreten. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und dem Untergang der Monarchie war er in der Zeit der Novemberrevolution von 1918 für kurze Zeit Reichskanzler. Als Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten hatte er sich für die Wahl einer demokratischen verfassunggebenden Nationalversammlung eingesetzt und gegen eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild ausgesprochen.

„Der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes“

Als Reichspräsident verstand sich der engagierte Sozialdemokrat als Beauftragter des gesamten Volkes. Bei seinem Amtsantritt im Februar gelobte der langjährige SPD-Vorsitzende: „Mit allen meinen Kräften und mit voller Hingabe werde ich mich bemühen, mein Amt gerecht und unparteilich zu führen, niemand zuliebe und niemand zuleide. Ich gelobe, dass ich die Verfassung der Deutschen Republik getreulich beachten und schützen werde. Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei.

Der gelernte Sattler bekannte aber auch, “dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin„.

Vereidigung durch den Präsidenten der Nationalversammlung

Der Präsident der Nationalversammlung Dr. Constantin Fehrenbach (1852-1926) würdigte Ebert als treuen Freund des arbeitsamen Volkes, als Hort des Vaterlandes, dem ein dornenvolles Amt in der schwersten Zeit des Vaterlandes auf die Schultern gelegt wurde. “Aber mit ruhigem Gewissen können Sie jede Schuld und Verantwortung an der trostlosen Lage des Reichs ablehnen. Sie suchten Fortschritt, Freiheit und soziale Wohlfahrt nur in ruhiger Entwicklung zu erreichen.„ Gleichzeitig sprach er seine Überzeugung aus, dass Ebert, das durch die Volksvertreter in ihn gesetzte Vertrauen erfüllen werde.

Mit der Vereidigung des Reichspräsidenten neigte sich auch die Zeit der Nationalversammlung in Weimar ihrem Ende entgegen. Die nächsten Sitzungen der Nationalversammlung fanden nicht mehr in Weimar sondern in Berlin statt. Ab dem 30. September tagte die Volksvertretung im renovierten Berliner Reichstag.

Abschied von Weimar

Nicht ohne eine gewisse Wehmut verabschiedete sich der Präsident der Nationalversammlung von Weimar: “Wir sind vor mehr als einem halben Jahre der Großstadt und ihren Gefahren aus dem Wege gegangen und haben für unsere Arbeit das kleine, aber jedem Deutschen ans Herz gewachsene Weimar auserlesen, als eine Stätte, in der von jeher die Werke des Friedens blühten, die Offenbarungen hoher geistiger Kultur ihre Erstehung feierten. Hier hatte Herder den Stimmen der Völker in Liedern gelauscht, hier suchte der große Lebenskünstler Goethe in olympischer Ruhe und abgeklärter Gelassenheit der politischen Wirren Herr zu werden, während sein Genius das deutsche Volk mit unsterblichen Gaben beschenkte. Hier verzehrte sich die dramatische Gestaltungskraft, der ideale Schwung, der glühende Patriotismus unseres Schiller in jenen schwülen Tagen um die Wende des vorigen Jahrhunderts. Nach diesem Weimar zog es uns hin, und etwas durften wir dabei auch denken an die freundliche Lage der Stadt und ihrer waldreichen Umgebung und an die Schönheit ihres Erholung spendenden Parkes. Was wir von Weimar erhofften, haben wir gefunden, und unser Abschied vollzieht sich nicht ohne eine gewisse Wehmut.„

“Mit herzlichen Dank für die erwiesene Gastfreundschaft„ verabschiedete er sich von “dieser würdigen Stadt und dem schönen Thüringen„.

Verlängerung der Amtszeit bis 1925

Nach den Reichstagswahlen vom 6. Juni 1920 trat der Reichstag an die Stelle der Nationalversammlung. Die Amtszeit des aufgrund des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt gewählten Reichspräsidenten endet nach Artikel 180 der Weimarer Reichsverfassung mit dem Amtsantritt des ersten nach der Verfassung gewählten Reichspräsidenten. Der neue Präsident sollte nach Artikel 41 der neuen Verfassung vom deutschen Volke gewählt werden. Die Wahl des Reichspräsidenten wurde jedoch aufgrund innenpolitischer Unruhen immer wieder verschoben.

Am 24. Oktober 1922 verabschiedete der Reichstag deshalb mit den Stimmen von SPD, Deutscher Demokratischer Partei (DDP), Zentrum, Deutscher Volkspartei (DVP) und Bayerischer Volkspartei (BVP) ein Gesetz zur Änderung des Artikels 180 der Reichsverfassung, um die Amtszeit des Reichspräsidenten bis zum 30. Juni 1925 zu verlängern.

Amt in schwieriger Zeit

Als Gegengewicht zum Reichstag war der Reichspräsident mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Er konnte den Reichstag auflösen, nach Artikel 48 der Verfassung bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit den Ausnahmezustand verhängen und Notverordnungen erlassen. Der Reichskanzler und auf dessen Vorschlag die Reichsminister wurden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen. Eine Bestätigung durch den Reichstag war nicht erforderlich. Der Reichskanzler und die Reichsminister waren jedoch in ihrer Amtsführung vom Vertrauen des Reichstages abhängig und mussten zurücktreten, wenn ihnen das Vertrauen entzogen wurde.

Während seiner Amtszeit musste Ebert nicht nur zahlreichen Krisen wie dem Kapp-Lüttwitz-Putsch (1920), der Ermordung des Finanzministers Matthias Erzberger (1921) und des Außenministers Dr. Walther Rathenau (1922) oder 1923 der Besetzung des Ruhrgebiets und der Hyperinflation begegnen. Elf Regierungskoalitionen zerbrachen, er war auch zahlreichen Beleidigungen und Verleumdungen ausgesetzt. Friedrich Ebert starb am 28. Februar 1925 in Berlin aufgrund einer Blinddarmentzündung im Alter von 54 Jahren. Er wurde in seiner Geburtsstadt Heidelberg beerdigt. Auf dem Grabstein steht sein Leitsatz: “Des Volkes Wohl ist meiner Arbeit Ziel.„ (klz/15.08.2019)

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