Geschichte

Vor 60 Jahren: Bundestag verurteilt den Mauerbau

Ost-Berliner stehen neben einem Volksarmist hinter Stacheldraht an der Grenzmarkierung.
Bundeskanzler Konrad Adenauer während einer Rede in einer Sondersitzung zum Mauerbau im Deutschen Bundestag.
Menschen stehen entlang einer Häuserwand auf einem Bürgersteig und gucken Männern beim Mauerbau zu.
Foto eines Plakats mit dem Ulbricht-Zitat im 'Neuen Deutschland' an einer Mauer
Mehrere Lastwagen und ein Baukran stehen an einer Mauer, die quer über die Straße errichtet wird und ein Gleisbett der Straßenbahn unterbricht.
West-Berliner versammeln sich am Jahrestag des Mauerbaus vor der Mauer in der Bernauer Straße. Unter Aufsicht der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee (NVA) lässt die DDR-Regierung seit dem 13. August 1961 mitten durch Berlin eine Mauer bauen und riegelt damit den Ostsektor von den Westsektoren hermetisch ab.
Drei Personen stehen auf Leitern und winken. Eine Gruppe Menschen steht drumherum.
Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, während einer Rede in einer Sondersitzung zum Mauerbau im Deutschen Bundestag.

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13.8.1961: Unter Aufsicht der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee (NVA) lässt die DDR-Regierung seit dem 13. August 1961 mitten durch Berlin eine Mauer bauen und riegelt damit den Ostsektor von den Westsektoren hermetisch ab. Durch die Mauer soll die 'Republikflucht' der DDR-Bürger verhindert werden. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Siegmann)

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18.8.1961: Bundeskanzler Adenauer sagte während seiner Rede im Bundestag, das Ulbricht-Regime habe gegenüber der Welt eine politische Bankrotterklärung einer 16-jährigen Gewaltherrschaft abgegeben. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Rolf Unterberg)

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13.8.1961: Passanten sehen in der Zimmerstraße (Westberliner Seite) Grenzsoldaten beim Mauerbau zu. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Klaus Lehnartz)

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1.9.1961: Plakat mit einem Ulbricht-Zitat im „Neuen Deutschland“ vom 15. Juni 1961: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Klaus Lehnartz)

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28.7.1962: Der Mauerstreifen zum amerikanischen Sektor wird ausgebaut. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Gert Schütz)

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13.8.1964: Durch die Mauer soll die 'Republikflucht' der DDR-Bürger verhindert werden. Die Zonengrenze zur Bundesrepublik wurde bereits seit 1952 auf ganzer Länge mit Stacheldraht und Minensperren abgeriegelt. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Schwahn)

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20.10.1961: West-Berliner winken in der Bernauer Straße ihren Familienangehörigen hinter der Mauer in Berlin-Ost zu (Mauerbau). (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Gert Schütz)

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18.8.1961: Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, sagte während einer Rede im Bundestag: „Was zusammengehört, ist weiter auseinandergerissen, es wird brutal zerschlagen.“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung / Rolf Unterberg)

Es ist früher Morgen, als am Sonntag, 13. August 1961, rund 10.000 Volks- und Grenzpolizisten mitten in Berlin beginnen, das Straßenpflaster aufzureißen und aus Asphaltstücken und Steinen Barrikaden zu errichten. Betonpfähle werden in den Boden gerammt, Stacheldraht gespannt. Mit Ausnahme von 13 Kontrollpunkten schließt die DDR an diesem Tag alle Sektorenübergänge zwischen West und Ost, auch S- und U-Bahnverbindungen werden unterbrochen. Selbst das Brandenburger Tor wird abgeriegelt. Der Bau der Berliner Mauer beginnt.

Was für die Bevölkerung ein Schock ist, trifft auch die bundesrepublikanische Politik recht unvorbereitet. Die Abriegelung Berlins war ein gut gehütetes Staatsgeheimnis der DDR-Regierung. Zwar meldete der Bundesnachrichtendienst (BND) schon Anfang August, „das Pankower Regime“ bemühe sich um die sowjetische Einwilligung zu einer Absperrung Berlins.

Außerordentliche Sitzung im Bundestag

Am 12. August berichtete der BND sogar, das Zentralkomitee habe beschlossen, den Berliner Ost-Sektor schon „in den nächsten Tagen“ abzuriegeln, um den Flüchtlingsstrom von Ost nach West zu stoppen. Wann genau aber die DDR handeln würde, ist jedoch unklar – auch der Regierung in Bonn.

Die befindet sich dieser Tage mitten im Wahlkampf: Es ist Sommerpause im Bundestag, nur wenige Wochen später, am 17. September, soll das Parlament neu gewählt werden. Dennoch kommen die Abgeordneten am Freitag, 18. August 1961, zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen.

„Bankrotterklärung einer Gewaltherrschaft“

Es ist eine emotionale Debatte, zu deren Beginn Bundeskanzler Konrad Adenauer ans Rednerpult tritt, um eine Regierungserklärung abzugeben. Auch Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, ist nach Bonn gereist, um im Bundestag gegen die Situation zu protestieren.

Der Bundeskanzler verurteilte als erster Redner der Debatte die Abriegelung scharf: Das Viermächteabkommen sei damit klar gebrochen worden. Aber: Das„Ulbricht-Regime“ habe so gegenüber der gesamten Welt„ die politische Bankrotterklärung einer 16-jährigen Gewaltherrschaft abgegeben. Moskau und sein “Marionettenregime„ planten damit, den “freien Teil der deutschen Reichshauptstadt von der freien Welt abzuschnüren„.

“Menschenrechtsverletzungen brandmarken„

Doch das ließen die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten nicht zu, versicherte Adenauer: “Der Nato-Rat hat erklärt, die Freiheit Berlins aufrechtzuerhalten.„

War Adenauers Regierungserklärung noch von einem staatsmännischen Tenor getragen, so hielt Willy Brandt eine flammende Rede gegen “das schreiende Unrecht„, das den Menschen in Berlin angetan werde. “Was zusammengehört, ist weiter auseinandergerissen, es wird brutal zerschlagen„, empörte sich der Regierende Bürgermeister und forderte die Vereinten Nationen auf, einzugreifen: Die “flagrante Verletzung der Menschenrechte„ müsse international gebrandmarkt werden, so Brandt.

“Schwarzer Tag„ in der deutschen Geschichte

Gleichzeitig erteilte er aber militärischen Drohgebärden der Westalliierten eine Absage: Er könne nur vor einer Haltung warnen, “die Ulbricht ermutigt, seine Politik der vollendeten Tatsachen fortzusetzen„.

Der Abgeordnete Erich Mende (FDP) forderte die Fraktionen trotz Wahlkampfs zur Geschlossenheit auf. Alle seien angehalten, nach diesem 13. August, der als “schwarzer Tag„ in die Geschichte eingehen werde, in “engster Zusammenarbeit mit unseren Partnern„ die Bedrohung von Berlin abzuwenden. Ein “neues Korea„ müsse verhindert werden.

“Berlin-Krise ist hausgemacht„

Beinahe zum Tumult kam es, als Arno Behrisch als letzter Redner das Wort ergriff und dabei den Westen der Mitschuld an der aktuellen Krise bezichtigte. Der Abgeordnete hatte kurz zuvor die SPD aus Protest gegen ihre außenpolitische Linie verlassen und nutzte nun seine Rede, um auch die Politik der Bundesregierung zu kritisieren: Die Berlin-Krise beruhe, so Behrisch, auf einer “monumentalen Fehleinschätzung„ der seit 1952 vom Westen demonstrierten “Politik der Stärke„.

Um “Frieden und Freiheit in Einheit„ zu erreichen, hätte man sich um einen Kompromiss mit denen bemühen müssen, die “das Faustpfand in der Hand„ hielten, sagte der Behrisch.

Mauer zementiert 28 Jahre deutsche Teilung

Doch aller – auch internationaler– Protest verhallt letztlich ohne Resultat. Die DDR-Regierung baut in den folgenden Wochen und Monaten die provisorische Abriegelung aus Stacheldraht zur schwer bewachten Grenzanlage aus.

Mehr als 28 Jahre lang trennt so die Berliner Mauer Ost und West und zementiert – im wahrsten Sinne des Wortes –- die deutsche Teilung. Viele Menschen verlieren ihr Leben bei dem Versuch, diese Grenze zu überwinden. Die genaue Anzahl der so genannten Maueropfer ist bis heute unklar: Historiker sprechen von 125 bis 206 Toten. (lyh/05.08.2021) 

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