Parlament

Bundestag und Assemblée nationale wollen Zusam­menarbeit verstärken

Bei einer gemeinsamen Arbeitssitzung des Deutschen Bundestages und der Assemblée nationale anlässlich des 60. Jubiläums der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages am Sonntag, 22. Januar 2023, im Plenarsaal der französischen Nationalversammlung haben Abgeordnete aus beiden Parlamenten einen noch intensiveren Austausch untereinander angeregt. So sprach sich etwa die französische Parlamentarierin Brigitte Klinkert (Renaissance) für eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) aus und schlug vor, künftig gemeinsam Gesetzesinitiativen zu erarbeiten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich (SPD), brachte DFPV-Sitzungen auch außerhalb von Paris und Berlin ins Gespräch. In die Regionen zu gehen, würde auch Bürgernähe beweisen, sagte er.

Unterstützung für die Ukraine

Mehrere Abgeordnete machten zugleich deutlich, dass die von Russland angegriffene Ukraine mit anhaltender Unterstützung Frankreichs und Deutschland rechnen könne. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr (FDP) sagte beispielsweise, Hilfe für die Ukraine werde es geben, solange diese notwendig sei. Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, betonte, nur ein Sieg der Ukraine eröffne eine Zukunft des Friedens und der Freiheit in Europa. 

Rückgang des gegenseitigen Sprachinteresse

Einen auffälligen Rückgang des gegenseitigen Sprachinteresses machten einzelne Abgeordnete zum Thema. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wies darauf hin. Immer weniger deutsche Schülerinnen und Schüler würden Französisch lernen. Immer weniger junge Französinnen und Franzosen Deutsch. „Das besorgt mich“, sagte Bas. Es sei ihr daher ein Anliegen, verstärkt Französischunterricht in Deutschland und Deutschunterricht in Frankreich zu fördern. „Sprache ist der Schlüssel für Verständigung“, sagte die Bundestagspräsidentin, die im zweiten Teil der Sitzung die Leitung von ihrer französischen Amtskollegin, der Präsidentin der Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet, übernahm. 

Der französische Abgeordnete Hadrien Clouet (LFI) bestätigte den Befund der Bundestagspräsidentin. Seien es 1985 noch ein Viertel aller Schüler gewesen, die die jeweils andere Sprache gelernt hätte, sei die Zahl heute deutlich geringer. Mehr als die Hälfte der Stellen für Lehrer der jeweils anderen Sprache sei nicht besetzt. Hier gelte es anzusetzen, sagte Clouet. 

Bas: Freundschaft muss gelebt und gepflegt werden

Logo zum Jubiläum 60 Jahre Élysée-Vertrag (1963-2023)

Vor 60 Jahren unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle den Élysée-Vertrag. (Assemblée nationale)

Bundestagspräsidentin Bas erinnerte zu Beginn der Sitzung daran, dass sich viele Generationen auf beiden Seiten eine Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland nicht hätten vorstellen können. „Heute ist diese Freundschaft so tief und fest, dass sie nicht mehr wegzudenken ist“, sagte Bas. So wie es keine Erbfeindschaft geben könne, könne es auch keine Erbfreundschaft geben, fügte sie hinzu. „Sogar die beste Freundschaft muss gelebt und gepflegt werden.“ Nicht zuletzt, weil Europa das deutsch-französische Tandem brauche - gerade in einer Zeit großer Umbrüche. 

Braun-Pivet verwies auf wichtige Entscheidungen, die von der DFPV getroffen worden seien. Nun habe sie mit ihrer deutschen Kollegin Bas eine Gemeinsame Erklärung ausgearbeitet, die eine ambitionierte Roadmap darstelle. „Unsere Bürger erwarten viel von uns“, so sagte die Präsidentin der Assemblée nationale. Dem müsse man sich als würdig erweisen. 

Mützenich für Stärkung der Arbeitnehmerrechte

Rolf Mützenich griff während der Aussprache drei Aspekte auf. Neben der Unterstützung der Ukraine ging er auf soziale Fragen ein. Der SPD-Fraktionsvorsitzende plädierte für die Stärkung der Arbeitnehmerrechte. Es gelte soziale Rechte zu verankern, die keine Almosen darstellten, sondern auch einklagbar seien. Als wichtig benannte er es auch, dass Frankreich und Deutschland ihre mit dem Strukturwandel gemachten Erfahrungen zusammenbringen.

Merz: Frieden nicht durch Unterwerfung, sondern in Freiheit

Friedrich Merz sprach von Schützengräben innerhalb Europas. „Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist der Krieg als Mittel der Politik zurückgekehrt nach Europa“, sagte er. Diesem Epochenbruch müsse man „mit noch größerer Entschiedenheit entgegentreten“. Die europäische Sicherheitsordnung werde auch im Donbass verteidigt, sagte er. „Wir wollen den Frieden“, machte Merz deutlich. „Wir wollen ihn aber nicht durch Unterwerfung, sondern in Freiheit.“

Haßelmann: Leben gemeinsam unser Europa

Die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, betonte die Vertrautheit zwischen Deutschen und Franzosen. „Wir leben gemeinsam unser Europa“, sagte sie. Wenn gestritten werde, was vorkomme, „dann über den Weg, aber nie über das gemeinsame Ziel“. Deutschland und Frankreich seien verpflichtet, sich in Europa der Verantwortung für Frieden und Sicherheit zu stellen, sagte Haßelmann.

Dürr: Im Systemwettbewerb mit Autokraten

Frankreich, Deutschland – ganz Europa stehe gemeinsam vor großen Herausforderungen, sagte Christian Dürr. Insbesondere mit Blick auf den „Systemwettbewerb mit Autokraten“. Daher müsse die Stabilität Europas ein gemeinsames Ziel Deutschlands und Frankreichs sein. „Die Menschen müssen das feste Gefühl haben, das wir für Frieden, Freiheit und Wohlstand kämpfen“, sagte Dürr. 

Kleinwächter: Erklärung hat „sehr viel Text, aber keinen Geist“

Norbert Kleinwächter (AfD) übte Kritik an der Gemeinsamen Erklärung der Parlamentspräsidentinnen. Der Freundschaftsvertrag von vor 60 Jahren habe vor allem Regelungen zum Austausch beinhaltet. „Da war wenig Text aber viel Geist.“ Die Erklärung indes habe „sehr viel Text, aber keinen Geist“. Es gehe in der Erklärung nicht um die Bürger. Statt auf Elemente der Freundschaft und des Austausches zu setzen, laufe man „Ersatzideologien“ wie dem Klimawandel und der Massenmigration hinterher, sagte Kleinwächter. 

Bartsch: Druck für eine europäische Friedensinitiative

„Der Krieg muss beendet werden“, forderte der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch. Darüber gebe es „hoffentlich“ einen Konsens. Bartsch verwies darauf, dass sich der französische Präsident Emmanuel Macron Anfang Dezember für Friedensverhandlungen mit Russland ausgesprochen habe. „Ich würde mir wünschen, dass auch von den Parlamenten Druck auf eine europäische Friedensinitiative ausgeht“, sagte er. Die Diskussion nur über Waffen reiche nicht aus. 

Gemeinsame Erklärung

Im Anschluss an die Sitzung wurde eine von beiden Parlamentspräsidentinnen Bärbel Bas (Deutscher Bundestag) und Yaël Braun-Pivet (Assemblée nationale) verfasste Gemeinsame Erklärung angenommen. (hau/22.01.2023)

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