G7-Parlamentspräsidenten

Julia Klöckner in Kanada: Demokraten widersetzen sich der Polarisierung

Acht Personen stehen nebeneinander aufgereiht für ein Gruppenfoto und lächeln.

G7-Familienfoto in Chelsea bei Ottawa: von links Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, Lorenzo Fontana, Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Yael Braun-Pivet, Präsidentin der französischen Nationalversammlung, Francis Scarpaleggia, Sprecher des kanadischen Unterhauses, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Sir Lindsay Hoyle, Sprecher des britischen Unterhauses, und Ruslan Stefantschuk, Präsident der ukrainischen Werchowna Rada. (© DBT/Tobias Koch)

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat in Ottawa hervorgehoben, dass die Demokratie als lernendes System allen anderen Systemen überlegen bleibt. Bei der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Parlamente der G7-Staaten sprach Klöckner in der kanadischen Hauptstadt als Hauptrednerin zum Thema „Gesetzgebung in einer polarisierten Welt: Förderung einer respektvollen Debatte im Plenum und darüber hinaus“. Zur Konferenz von Donnerstag, 4. September, bis Sonntag, 7. September 2025, hatte der Sprecher des kanadischen Unterhauses Francis Scarpaleggia eingeladen.

Gemeinsame Abschlusserklärung

Zu den G7-Staaten, den führenden demokratischen Industriestaaten, gehören die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland, wobei Japan in Ottawa nicht vertreten war. Mit von der Partie waren aber die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola und der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk. In der Abschlusserklärung verurteilten die Präsidentinnen und Präsidenten den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sicherten dem Land fortlaufende Unterstützung zu. Bundestagspräsidentin Klöckner und Stefantschuk vereinbarten, sich noch in diesem Jahr in Berlin wieder treffen zu wollen. 

Zudem wurden in der Erklärung gemeinsame Linien zu den Themen Desinformation, politische Polarisierung und Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker festgehalten. Nahezu gleiche Entwicklungen und starke Parallelen sind in allen Parlamenten und Gesellschaften der G7 zu verzeichnen. 

„Wir geben keiner Seite einen moralischen Rabatt“ 

Die parlamentarische Demokratie, die auf Demut gründe, ist nach den Worten der Bundestagspräsidentin nach wie vor am besten geeignet, aus Irrtümern zu lernen. Demokraten würden nicht spalten, sondern sich der Polarisierung widersetzen. Je stärker die politischen Ränder würden, desto klarer bestehe man auf der Einhaltung der eigenen Regeln, betonte sie in ihrer Rede: „Wir geben keiner Seite einen moralischen Rabatt.“

Parlamentarier müssten in polarisierten Gesellschaften sowohl jene enttäuschen, die schnelle und tiefgreifende Reformen fordern, als auch jene, die wenig oder keine Veränderung wollten. Radikale Reformen seien in einer Demokratie selten richtig, und ein Leben ohne Veränderung gebe es nicht. Aufgabe der Parlamente sei es, Unterschiede erträglich zu machen. Nur Parlamente hätten die Aufgabe, Gegensätze öffentlich auszutragen und sie in Entscheidungen zu überführen, die für alle gelten.

Parlamente, so Klöckner weiter, seien die Hüter der demokratischen Kultur und müssten Orientierung geben. Anders als autoritäre Systeme besäßen sie die Überzeugungskraft demokratischer Werte. Grenzen müssten gezogen werden, wenn Extremisten die Institutionen attackieren, doch dürfe nicht jeder Widerspruch als Extremismus gebrandmarkt werden. Die Demokratie werde nicht dadurch verteidigt, dass man ihren Boden verlasse.

Bedrohung durch Desinformation und Schutz vor Gewalt 

Die Bundestagspräsidentin sprach darüber hinaus zu den Konferenzthemen der Bedrohung des demokratischen Prozesses durch Online-Desinformation und des Schutzes der Abgeordneten vor allen Formen der Gewalt. Falschinformationen im Netz mit dem Ziel, demokratische Institutionen zu erschüttern, nähmen an Qualität und Häufigkeit zu unterstützt durch Künstliche Intelligenz. Klöckner plädierte dafür, Verhältnismäßigkeit zu wahren. Nicht jede falsche Aussage sei gefährlich und nicht alles gehöre als Desinformation strafrechtlich verfolgt.

Was die zunehmende politisch motivierte Gewalt angeht, muss der Rechtsstaat nach Aussage Klöckners „klare Kante“ zeigen. Wenn vor allem Frauen sich aus der Politik zurückziehen, verliere die Demokratie an Stärke. Die Lösung sieht die Bundestagspräsidentin in der Prävention von Hass. Politische Bildung müsse immun machen gegen Hass und Desinformation. Engagierte brauchten Rückhalt. Besonders für Frauen brauche man Vorbilder, Empowerment und Netzwerke. Die Demokratie als Ganzes müsse sich sichtbar, solidarisch und entschlossen wehren: „Angst darf nicht Politik machen.“ (vom/08.09.2025)