16.06.2023 | Parlament

Bundestag gedenkt 70. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes

Das Bild zeigt ein weißes Kreuz, angeheftet an einen grünen Zaun. Auf dem Kreuz ist ein Bild und Text aufgedruckt, die etwas über den Volksaufstand von 1953 erzählen. Unter dem Kreuz steckt eine Rose, festgemacht am Zaun.

Gedenkkreuz für die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 im Berliner Tiergarten. (DBT / Team Zupke)

Der 17. Juni 1953 und seine Bedeutung für heute

Der 17. Juni 2023 ist der 70. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes von 1953. In über 700 Gemeinden gingen damals rund eine Million Menschen in der ganzen DDR auf die Straße, protestierten in den Betrieben und erhoben soziale, wirtschaftliche und politische Forderungen. In Reaktion auf die Proteste verhängte die Sowjetunion in der Mehrheit der Kreise der DDR den Ausnahmezustand. Durch massiven militärischen Einsatz wurde der Volksaufstand von der sowjetischen Armee unter Beteiligung der Kasernierten Volkspolizei niedergeschlagen. Über 15.000 Personen wurden verhaftet und über 1.500 Menschen in den folgenden Monaten verurteilt. An dem Tag selbst, in den Folgetagen und durch die Vollstreckung von Todesurteilen kamen mehr als 50 Menschen ums Leben.

Der 17. Juni steht somit zum einen für den großen Mut vieler Menschen in der DDR, die gegen das System aufgestanden sind, und deren Widerstand gewürdigt werden muss. Und zum anderen steht der 17. Juni für die notwendige Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, weil er dabei hilft, die Diktatur und ihre Folgen besser zu verstehen.

Der Volksaufstand von 1953 führt uns zum anderen immer wieder vor Augen, dass der Sozialismus im Osten Deutschlands eben nicht ein Gesellschaftsmodell war, das gut begann und irgendwann auf die schiefe Bahn geriet. Und er führt uns schmerzhaft vor Augen, dass Einschüchterung, Repression und gelenkte Justiz von Anfang an Wesensmerkmale der Diktatur im Osten Deutschlands waren.

Das Ereignis prägte die Herrschenden in der DDR, für die es für Jahrzehnte ihr Trauma blieb, dass das Volk sich erneut gegen das System erheben könnte, so dass es das zentrale Ziel der Repressionsorgane im Auftrag der SED-Führung wurde, jeden Widerspruch und Widerstand frühzeitig zu erkennen und mit allen Mitteln zu brechen. Gleichzeitig prägte der 17. Juni die Menschen in der DDR. Die unerbittliche Härte, mit der gegen die Proteste vorgegangen wurde, wirkte über die Jahrzehnte nach. Die Angst wurde zu einem Instrument der Herrschaftssicherung und die Einschüchterung konnte bis tief in die Familien hineinwirken.

Der 17. Juni ist als Feier- und Gedenktag ein Tag für die gesamtdeutsche Erinnerung! Und er gibt uns für die Gegenwart die Botschaft mit, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind. Denn die zerstörerische Kraft von Ideologien wirkte in unserer Geschichte. Doch leider wirkt die  zerstörerische Kraft von Ideologien auch noch in unserer Gegenwart  - zum Beispiel, wenn wir unsren Blick nach Russland und Belarus richten.

Das Erinnern an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ist wie eine Art Medizin gegen die Verklärung der DDR. Diktaturen klar als Diktatur zu benennen, das erscheint heute wichtiger denn je.

Der 17. Juni ist der Tag des Innehaltens, um an die Opfer der politischen Gewalt zu erinnern und ihnen auch unsere Unterstützung zuzusichern. Da circa die Hälfte der Betroffenen des SED-Unrechts heute an der Grenze zur Armutsgefährdung lebt, erwächst daraus auch noch heute eine große gesellschaftliche Verantwortung. Um die soziale Lage der SED-Opfer zu verbessern, habe ich mit meinem Jahresbericht 2023 der Politik auch zu diesem denkwürdigen Jahrestag  meine Handlungsempfehlungen (20/7150) vorgelegt.


Evelyn Zupke


Parlament debattiert zu „70. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes“

Vor dem Hintergrund des Jahrestages debattierte der Deutsche Bundestag am 15. Juni 2023 zur Fortsetzung der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)/DDR und zur Stärkung der Erinnerungskultur. Für die debattierenden Fraktionen steht dabei der Jahrestag wie kein anderer für den jahrzehntelangen mutigen Kampf vieler Menschen in der DDR für Freiheit, Demokratie und die Deutsche Einheit. Der vom Bundestag beschlossene Antrag fordert die Bundesregierung auf, die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Anliegen zur Verbesserung der Lage der SED-Opfer zügig umzusetzen und dabei die Impulse der SED-Opferbeauftragten bei der anstehenden Überarbeitung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zu berücksichtigen.


Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes

Im Rahmen einer Gedenkstunde gedachte der Deutsche Bundestag des Jahrestages auch mit einer Sonderveranstaltung am 16. Juni 2023 im Plenarsaal. Neben Gedenkreden von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier wurden dabei auf Anregung der SED-Opferbeauftragten auch Zeitzeugenberichte von Siegfried Keil, Helfried Dietrich, Karin Sorger und Frank Nemetz vorgetragen. Die Berichte wurden - außer bei Frank Nemetz - stellvertretend von den Schülerinnen und Schülern Jonas Pietschmann, Severin Koerner von Gustorf, Zelal Tekin der Berliner Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule vorgetragen. Die SED-Opferbeauftragte führte jeweils in die Zeitzeugenberichte ein.

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