Parlament

Abgeordnete bei „geo­strate­gisch wichtigen Partnern“ in Tansania und Uganda

Eine Gruppe von acht Männern und vier Frauen steht in zwei Reihen vor einem Gebäude. Im Hintergrund sind zwei afrikanische Soldaten und zwei Männer in Anzügen zu sehen.

Die Bundestagsabgeordneten zusammen mit Vertretern des ugandischen Parlaments vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Kampala: von links Cornelia Möhring (Die Linke), Delegationsleiterin Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen, der ugandische Vize-Parlamentspräsident Thomas Tayebwa, Manfred Todtenhausen (FDP); ganz rechts der Ständige Vertreter der deutschen Botschaft Hans von Schroeder; hinten von links Steffen Janich (AfD) und Erwin Rüddel (CDU/CSU). (© DBT/Franca Wolff)

Tansania und Uganda, langjährige Partner in der Entwicklungszusammenarbeit, sind wichtige Verbündete Deutschlands und der EU in der zunehmend instabilen Region der Großen Seen, die außerdem zu einem Zielgebiet wachsender geostrategischer Rivalitäten geworden ist. Die beiden Länder der weiteren Unterstützung zu versichern und die bilateralen Beziehungen zu Deutschland zu vertiefen: Das war Sinn und Zweck der Delegationsreise der Parlamentariergruppe Östliches Afrika des Deutschen Bundestages vom 22. bis 30. Mai 2024 nach Tansania und Uganda

„Wir haben eine europäische Verantwortung“

„Damit die Region geostrategisch nicht kippt, muss Deutschland sich in Afrika stärker engagieren und die Europäische Union eine ambitionierte Afrikapolitik entwickeln“, fordert Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende der Parlamentariergruppe Östliches Afrika. „Wir haben eine europäische Verantwortung. Nicht nur die Menschen in Afrika, sondern auch wir haben ein Interesse daran, dass der afrikanische Kontinent sich gut entwickelt.“

Die Parlamentariergruppe wolle dazu einen Beitrag leisten. Zuständig für zwölf Länder, vom Sudan bis zu den Seychellen, handele es sich um „eine geografisch sehr umfassende Ländergruppe mit zahlreichen Sicherheitsproblemen“, so die Vorsitzende und fügt hinzu: Viele Länder könne man „leider wohl auf absehbare Zeit aus Sicherheitsgründen nicht besuchen“.

„Besonderes Zeichen der Wertschätzung“

In Tansania und Uganda haben sich die deutschen Abgeordneten vor Ort ein Bild von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gemacht. In den Hauptstädten Dodoma und Kampala habe man sich mit den Kolleginnen und Kollegen der dortigen Parlamente, mit Mitgliedern der Freundschaftsgruppen und von Fachausschüssen ausgetauscht und sei von der tansanischen Parlamentspräsidentin und dem stellvertretenden ugandischen Parlamentspräsidenten empfangen worden.

„In der internationalen Zusammenarbeit mit Abgeordneten der Partnerländer sieht die Parlamentariergruppe Östliches Afrika ihre originäre Aufgabe“, erklärt die Vorsitzende. Darüber hinaus sei die Delegation mit Vertretern nichtstaatlicher Organisationen, politischer Stiftungen, der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sowie der Zivilgesellschaft zusammengekommen.

Man arbeite die gesamte Legislaturperiode dafür, die Beziehungen in sämtlichen Themenbereichen, auf allen Ebenen zu pflegen und gebe diesen zusätzlich zur Außenpolitik der Regierung Impulse, unterstreicht Schulz-Asche die Bedeutung der Parlamentariergruppen. Mit der Delegationsreise setzten die Abgeordneten zweimal pro Legislatur ein „besonderes Zeichen des Interesses und der Wertschätzung“ gegenüber Partnerländern.

Rechtsstreit um Kaffee-Pachtland in Uganda

Ein Mann spricht mit der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche vor einer hölzernen Postfachwand mit lauter geöffneten Postfachtüren, in denen Papiere lagern.

Der Vizepräsident des ugandischen Parlaments, Thomas Tayebwa, zeigt Delegationsleiterin Kordula Schulz-Asche die Postfächer der Abgeordneten. (© DBT/Franca Wolff)

Um die Beilegung eines Rechtsstreits um Land, das ein deutscher Kaffeeanbauer von der ugandischen Regierung gepachtet hat, sowie um Entschädigungszahlungen an die aus ihren Dörfern vertriebenen Menschen ging es bei einem Ortstermin im Distrikt Mubende in Uganda. Seit Längerem engagieren sich Mitglieder der Gruppe in dieser Frage; die vertriebenen Bewohner hätten die deutschen Parlamentarier in der Auseinandersetzung, die bereits medial hohe Wellen geschlagen hat und nun seit vielen Jahren vor Gericht ausgetragen wird, um Unterstützung gebeten, erzählt Schulz-Asche.

Während das Unternehmen seinen Verpflichtungen in der „unschönen Angelegenheit wenn auch mit Verzögerungen bereits nachgekommen“ und für die Bewohner ein neues Dorf errichtet worden sei, seien „auf ugandischer Seite noch einige Rechnungen offen“: Die Landbewohner fühlten sich getäuscht, vertrieben und erwarteten teilweise noch Entschädigungszahlungen.

Die Einrichtung der Kaffeeplantage in Mubende sei ein „Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte“, so Schulz-Asche: „Es wurden anfangs offenbar vorschnell Fakten geschaffen, die Menschen fühlen sich übergangen und ungerecht behandelt.“ Andererseits habe das Unternehmen mittlerweile viele Arbeitsplätze geschaffen. Die deutsche Botschaft vor Ort werde das Thema im Auge behalten.

Vertreibung der Massai aus dem Serengeti-Nationalpark

Um einen weiteren Konflikt ging es für die Delegation in Tansania: Bereits seit einigen Jahren wirkt die Parlamentariergruppe daran mit, in dem Konflikt um die staatlichen Vertreibungen der Volksgruppe der Massai aus dem Serengeti-Nationalpark eine Lösung zu finden. Dort habe sich eine Kluft aufgetan zwischen traditioneller Nutzung und dem Naturschutzgedanken, erklärt die Bundestagsabgeordnete. Es gelte, das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen zu finden.

Was für Durchzugsrechte gewährt man den Massai, die das Gebiet seit Generationen mit ihren Viehherden durchqueren? Dürfen diese Traditionen dem Naturschutz geopfert werden? Werden die angebotenen Kompensationen wie der Bau neuer Siedlungen und Schulen beidem, den Traditionen und dem Naturschutz, gerecht? Und: Wieviel Tourismus, eine wichtige Einnahmequelle auch für die Parkerhaltung, ist für die Natur noch verträglich?

In diesem Spannungsfeld der Interessen und Argumente habe man während des Delegationsbesuchs mit allen Seiten gesprochen. Die Park-Behörde bemüht sich, findet Schulz-Asche, doch die Situation müsse weiterhin genau beobachtet werden. Sie wirbt dafür, „grundsätzlich gemeinsam mit betroffenen Bevölkerungen und involvierten Organisationen, auch deutschen, neue Kommunikationsmöglichkeiten“ aufzutun. Die Möglichkeiten der Abgeordneten seien zwar begrenzt, aber man wolle dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis der Konfliktparteien zu fördern und eine für alle Seiten gute Lösung zu finden. 

Geostrategisch wichtige Partner 

Über die Entwicklungszusammenarbeit und innenpolitische Konflikte hinaus gewinnen sicherheitspolitische Fragen eine immer größere Bedeutung in der bilateralen Zusammenarbeit und seien auch Gesprächsthema für die Parlamentarier, erklärt Schulz-Asche, die eineinhalb Jahrzehnte für Entwicklungsorganisationen in verschiedenen Ländern Afrikas verbrachte. Für die Region der Großen Seen und in Afrika insgesamt, das zunehmende Zeichen der Instabilität zeige, seien Tansania und Uganda als politisch stabile, demokratisch verfasste Staaten für Europa und Deutschland „geostrategisch wichtige Partner“.

„Wir haben größtes Interesse an Stabilität in Afrika. Die Region der großen Seen muss unsere volle Aufmerksamkeit bekommen. Deutschland muss sich auch da stärker und vielfältig engagieren“, fordert die Afrika-Kennerin: „Wir müssen aufpassen, dass die Region geostrategisch nicht kippt.“ Als ob regionale Konflikte nicht Ungemach genug brächten, sei der gesamte afrikanische Kontinent Teil einer neuen geopolitischen Auseinandersetzung, einem globalen Ringen um Einflusszonen, einem Wettlauf um Bodenschätze. Allen voran China und Russland seien hier sehr aktiv, getrieben von eigenen Interessen. 

Partnerschaftlicher Ansatz in der Entwicklungspolitik

Deutschland und Europa mit seinen ehemaligen Kolonialmächten verfolgten mit ihrer Entwicklungspolitik dagegen einen partnerschaftlichen Ansatz, der demokratische Entwicklung fördere und die gemeinsamen, übergeordneten Ziele der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung sowie den Klimaschutz und die Sicherheit in den Vordergrund stelle. 

Deutschland, obwohl bis zum Versailler Vertrag 1918 selbst Kolonialmacht, genieße in Afrika heutzutage außerdem recht hohes Ansehen nicht als ehemalige Kolonialmacht, sondern „als Unterstützer bei Entwicklung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, weiß Schulz-Asche. „Andere ehemalige Kolonialmächte werden auch heute noch sehr viel kritischer bewertet. Unseren guten Ruf in vielen Ländern könnten wir auch politisch stärker nutzen“, findet die Entwicklungspolitikerin.

„Mehr Sicherheit kommt der deutschen Wirtschaft zugute“

„Unser Ansatz in Afrika muss es sein“, fordert Schulz-Asche, dazu beizutragen, dass der Kontinent sich entwickeln kann und den dort lebenden Menschen eine Perspektive bietet: „Niemand sollte sich für ein besseres Leben auf den gefährlichen Weg der Flucht begeben müssen.“ Zugleich trage Entwicklung auch zur globalen Sicherheit bei. 

Mehr Sicherheit komme auch der deutschen Wirtschaft zugute. Sichere Transportwege und Produktionsstätten ermöglichten es Unternehmen, ihr Know-how zu entfalten und mit Partnern vor Ort zu teilen, aber auch neue Energiequellen zu nutzen, die für eine klimaneutrale Wirtschaft in Zukunft benötigt würden. 

„Die Zeiten der Ausbeutung sind vorbei“

„Die Länder Afrikas sind für uns, über das Humanitäre und Entwicklungspolitische hinaus, in zunehmendem Maße von ökonomischem Interesse“, erklärt die Vorsitzende der Parlamentariergruppe im Hinblick auf bestimmte Bodenschätze, als Lieferanten sauberer Energie, etwa aus Sonne und Wind, aber auch, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu mindern. „Wir wollen diese Länder aber bitte nicht als Fundgrube, sondern als Partner auf Augenhöhe sehen. Die Zeiten der Ausbeutung und Abhängigkeiten sind vorbei.“

Heute gelte es, „im gemeinsamen Interesse zusammen Konflikte zu lösen, Sicherheit und Wohlstand zu schaffen sowie das  Klima zu schützen“. Das mache geopolitisch den großen Unterschied zu früheren Jahrzehnten aus. Und die Grünen-Politikerin aus dem hessischen Wahlkreis Main-Taunus ist sich sicher: „Der demokratische Ansatz ist immer im Vorteil gegenüber autoritären. Wir dürfen Afrika nicht anderen Großmächten überlassen. Europa sollte die wichtige Rolle spielen, die ihm für eine gute Entwicklung in Afrika zukommt.“

„In die Ausbildung der Menschen investieren“

Wie sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit beiden Seiten dabei hilft, ihre jeweiligen Herausforderungen anzugehen, zeige das Beispiel der Ausbildung der jungen Generation, so Schulz-Asche. Während Afrika der einzige Kontinent mit einer wachsenden, sehr jungen Bevölkerung sei, hätten inzwischen die meisten anderen Regionen der Welt mit dem Problem einer schrumpfenden, alternden Bevölkerung zu kämpfen und in der Folge mit einem Mangel an Arbeitskräften. 

Indem man nun in die Ausbildung der Menschen in Afrika investiere, leiste man nicht nur einen „sehr wichtigen Beitrag“ für die menschliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung beispielsweise in Tansania und Uganda. Damit lasse sich zugleich das Fachkräfteproblem in Deutschland, zum Beispiel in der Pflege, angehen, erklärt Schulz-Asche, die auch dem Gesundheitsausschuss und dessen Unterausschuss für globale Gesundheit angehört.

Pflegekräfte für die alternde deutsche Gesellschaft

Erste Beispiele zeigten, wie es gehen könne. Junge Leute erhielten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit oder durch Partnerschaften zwischen Universitäten und Fachhochschulen die Möglichkeit einer Ausbildung, die sowohl in deren Heimatland als auch in Deutschland stattfinden könne. So biete die Fachhochschule Koblenz jungen Abiturienten aus Kenia eine akademische Ausbildung in der Pflege. Mit dem dort erworbenen Abschluss könnten die Absolventen dann sowohl in Deutschland als auch in Kenia als Fachpflegekraft arbeiten. 

„Es ist also sinnvoll, dass wir über unseren eigenen Bedarf hinaus ausbilden“, findet die Entwicklungspolitikerin. „Durch diese qualifizierten Arbeitskräfte helfen wir, den Wohlstand und beispielsweise die Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern und lindern nebenbei ein Stück weit unser eigenes Versorgungsproblem in der Pflege. Wir geben diesen  Menschen eine Perspektive und unserer älter werdenden Gesellschaft auch.“ 

„Ein sehr guter Weg, Afrika zu helfen“, werde damit beschritten, sagt Schulz-Asche. Sie könne sich gut vorstellen, dass das Beispiel Schule macht und ähnliche Vereinbarungen auch mit anderen Ländern und Ausbildungsträgern getroffen werden können. 

„Die passenden Kompetenzen in Deutschland mobilisieren“

Es gebe noch viele weitere positive Beispiele der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den ostafrikanischen Ländern, wie den Austausch auf wissenschaftlicher Ebene, etwa zwischen Museen in Deutschland und Tansania, aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit, wenn es darum gehe, die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, die sich auf ein breites thematisches Spektrum erstrecke und sich auf ein dichtes Netz an Partnerschaften von Organisationen stütze, frage allem voran: Wo sieht unser Partnerland den größten Unterstützungsbedarf und wo gibt es in Deutschland die passenden Kompetenzen, die man dafür mobilisieren kann? „Diese Angebote sollten wir aufrechterhalten und weiterentwickeln“, mahnt Schulz-Asche. 

Für eine europäische Außen- und Entwicklungspolitik

Der Besuch in Tansania und Uganda habe den Abgeordneten vor Augen geführt, welche positiven Effekte die deutsche Entwicklungshilfe zur Folge hat, resümiert die Vorsitzende der Parlamentariergruppe. Die Zusammenarbeit auch auf der politischen Ebene mit diesen Ländern und mit der gesamten Region sollte und wolle man weiter stärken. 

Wichtig sei, „dass der afrikanische Kontinent dabei unterstützt wird, sich eigenständig zu entwickeln und nicht ausgebeutet wird“. Europa spiele dabei eine Schlüsselrolle. „Das entscheidende ist: Wir sollten zu einer gemeinsamen europäischen Außen- und Entwicklungspolitik kommen“, fordert Schulz-Asche und zeigt sich „optimistisch, dass das nach der jüngsten Europawahl gelingen könnte.“

Plädoyer für eine ambitionierte deutsche Afrikapolitik

Afrika biete große Potenziale der Zusammenarbeit, resümiert Entwicklungspolitikerin Schulz-Asche: von dem gemeinsamen Interesse an Sicherheit bis hin zur Nutzung klimafreundlicher Energie. Es spreche „alles dafür, dass wir uns auf dem Nachbarkontinent stark engagieren sollten“, um lokale und globale Probleme gemeinsam zu lösen und sich im Krisenfall beizustehen.

Die Parlamentariergruppe Östliches Afrika werde eine ambitionierte deutsche Afrika-Politik unterstützen und begleiten, sagt die Vorsitzende der Gruppe. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Themen Entwicklung und Armutsbekämpfung auf der Agenda bleiben.“ Das parlamentarische Format der Parlamentariergruppen biete einen einzigartigen Gesprächsrahmen, gekennzeichnet von gegenseitigem Respekt: „Wir sind Ansprechpartner ohne Attitüde, hören zu, nehmen die Stimmung im Partnerland auf und kommunizieren unsere Eindrücke in Ausschüsse und Ministerien.“

Von lokalen Konflikten bis zur globalen Sicherheit

Ganz konkrete Fragen wie lokale Konflikte und Streitschlichtung würden die Parlamentariergruppe dabei ebenso beschäftigen wie der Schutz von Parlamentariern in anderen Ländern oder die Zukunft der Energieversorgung und die globale Sicherheit. Im Bundestag arbeite man mit den anderen Parlamentariergruppen, die sich mit Afrika befassen, zusammen und tausche sich zudem gemeinsam mit Vertretern der Bundesregierung aus. 

Zur Delegation gehörten neben Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende der Parlamentariergruppe Östliches Afrika, die Abgeordneten Manfred Todtenhausen (FDP), Erwin Rüddel (CDU/CSU), Steffen Janich (AfD) und Cornelia Möhring (Gruppe Die Linke). (ll/09.09.2024)

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