Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten geplant
Der Bundestag hat sich am Freitag, 6. Juni 2025, mit der geplanten Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten beschäftigt. Dazu lagen ihm ein entsprechender Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD (21/321) sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Familiennachzug zu Schutzbedürftigen erleichtern statt aussetzen“ (21/349) vor. Beide Vorlagen wurden im Anschluss zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Federführend ist der Innenausschuss.
Laut dem Koalitionsentwurf soll der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden, um die Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik zu entlasten. Zugleich soll eine Familienzusammenführung in Härtefällen weiterhin möglich sein.
Minister: Grenze der Integrationsfähigkeit erreicht
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach zu Beginn der Debatte von „notwendigen nationalen Maßnahmen“, weil die Grenze der Integrationsfähigkeit Deutschlands erreicht sei. Er nannte die illegale Migration eine große Herausforderung für die gesamte EU. Daher brauche es europäische wie auch nationale Antworten.
Zu letzteren gehört seiner Aussage nach die Neuregelung. Die Überforderung Deutschlands durch die illegale Migration sei an vielen Stellen sehr konkret. Die Aussetzung des Familiennachzugs ist laut Dobrindt auch ein Beitrag zum Abbau der Pull-Faktoren. Damit werde die Logik der Schleuserbanden – einer muss nach Deutschland durchkommen, dann kann nachgezogen werden – durchbrochen, sagte er.
AfD: Union täuscht Migrationswende nur vor
Dr. Bernd Baumann (AfD) sprach von einer Mogelpackung. Während die Union vom Ende des Familiennachzugs rede, gehe es tatsächlich nur um die Aussetzung des Nachzugs für subsidiär Schutzberechtigte – und damit nur um zehn Prozent der über den Familiennachzug nachkommenden „120.000 zusätzlichen Migranten pro Jahr“.
Zudem werde deren Aufnahme nur zwei Jahre aufgeschoben. Baumann erinnerte daran, dass es auch 2016 schon eine solche Regelung gab. Sie sei absolut wirkungslos gewesen. Auch damals habe die Union „die Migrationswende nur vorgetäuscht“, sagte der AfD-Abgeordnete.
SPD: Härtefallregel muss genutzt werden
Die Regelung sei „als Teil eines größeren Kompromisses getroffen worden“, sagte Rasha Nasr (SPD). Sie wisse, wie schwierig es sei, in einer Koalition tragfähige Lösungen zu finden und habe daher „Respekt vor dem Ergebnis dieses Prozesses“.
Festzustellen sei aber, dass es hier konkret um Familien gehe, „die nun auf lange Zeit voneinander getrennt bleiben“. Das hinterlasse Spuren – bei den Menschen selbst, aber auch in der Gesellschaft. Nasr nannte die Härtefallregelung einen wichtigen Baustein. Diese Möglichkeit müsse aber auch tatsächlich genutzt werden können und dürfe nicht an zu hohen Hürden scheitern.
Grüne: Nachzug ist Voraussetzung für Teilhabe
Schahina Gambir (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die „dramatischen Folgen“ des Gesetzes für Familien. Die Aussetzung bedeute menschliches Leid und die Verhinderung der Integration. Wer dauerhaft von seiner Familie getrennt sei, lebe in Perspektivlosigkeit.
„Familiennachzug ist kein Gnadenakt, sondern Voraussetzung für Teilhabe“, sagte Gambir, die auch die SPD dafür kritisierte, einer Regelung zuzustimmen, die sie vor wenigen Wochen noch abgelehnt habe.
Linke: Gesetz ist antichristlich
Antichristlich und familienfeindlich sei das Gesetz, befand Clara Bünger (Die Linke). Nicht umsonst zählten die Kirchen zu seinen schärfsten Kritikern.
Bünger warf Innenminister Dobrindt vor, ständig von illegaler Migration zu sprechen, aber nun die letzten legalen Wege abschaffen zu wollen. „Das ist nicht nur zynisch, sondern auch juristisch nicht haltbar“, sagte die Linken-Abgeordnete.
Union: Deutschland ist Hauptzielland für Syrer
Alexander Throm (CDU/CSU) wies darauf hin, dass die Zahlen beim Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten die Zahlen des Nachzugs zu Flüchtlingen laut der Genfer Flüchtlingskonvention überstiegen.
Throm sprach wie Dobrindt von einem „erheblichen Pull-Faktor“. Deshalb sei Deutschland Hauptzielland von syrischen Flüchtlingen in Europa.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Der Gesetzentwurf sieht neben der Aussetzung des Familiennachzugs zudem vor, in das Aufenthaltsgesetz neben der Steuerung wieder das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung aufzunehmen.
Wie die Koalitionsfraktionen weiter ausführen, wurde bereits 2016 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen. Danach wurde dieser Nachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz mit dem im März 2016 in Kraft getretenen Gesetz „zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt, diese Aussetzung im März 2018 bis Ende Juli 2018 verlängert und danach durch die Begrenzung des Familiennachzugs auf 1.000 Visa pro Monat ersetzt.
Dieses Kontingent von 1.000 Visa pro Monat ist den beiden Fraktionen zufolge seit Juni 2023 ausgeschöpft. Im Jahr 2023 seien vom Bundesverwaltungsamt bereits 11.630 Zustimmungen zur Visumerteilung zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden, im Jahr 2024 seien es erstmals 12.000 gewesen.
Ausweislich des Ausländerzentralregisters hielten sich zum Stichtag 31. März 2025 laut Vorlage 388.074 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum subsidiären Schutz nach Paragraf 25 Absatz 2 Satz 1 Variante 2 des Aufenthaltsgesetzes in Deutschland auf. Für sie bestehe derzeit bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen „grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen der Kontingentregelung von 1.000 Visa pro Monat Familienzusammenführung geltend zu machen, soweit sich noch Mitglieder der Kernfamilie im Ausland aufhalten und eine Familienzusammenführung dort unzumutbar wäre“. Wie viele dieser Personen bereits in der Kernfamilie in Deutschland leben und keinen Familiennachzug mehr geltend machen können, sei nicht bekannt.
Das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung war im Jahr 2023 aus der Zweckbestimmung des Aufenthaltsgesetzes gestrichen worden, um ein „Zeichen der Offenheit für mehr Zuwanderung gerade im Bereich der Erwerbs- und Bildungsmigration zu setzen“, wie die beiden Fraktionen darlegen. Insbesondere im Hinblick auf „weiterhin bestehende erhebliche irreguläre Migrationsbewegungen“ solle aber klargestellt werden, „dass das Aufenthaltsgesetz nicht nur auf die Steuerung, sondern auch auf die Begrenzung von Zuwanderung ausgerichtet ist“.
Antrag der Linken
Die Linksfraktion schreibt in ihrem Antrag (21/349), dass das Recht auf Familienleben ein Grund- und Menschenrecht sei, das auch für Menschen auf der Flucht gelte. Die Aussetzung des Familiennachzugs verschließe „einen der wenigen verbliebenen legalen Wege für Geflüchtete“, nach Deutschland zu kommen. Betroffene könnten sich „dazu gezwungen sehen, sich auf gefährliche, illegalisierte Wege zu begeben, um mit ihren engsten Angehörigen zusammenleben zu können“.
Besonders negative Auswirkungen habe die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Geflüchtete mit subsidiärem Schutzstatus, obwohl diese vulnerable Gruppe eigentlich besonders schutzbedürftig sei, heißt es in der Vorlage weiter. Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs sei nicht nur für die betroffenen Familien mit großem Leid verbunden, sondern auch „gesellschafts- und integrationspolitisch fatal“. Ein „Ankommen der bereits in Deutschland lebenden Schutzberechtigten“ werde durch die Trennung massiv behindert, und die Sorge um ihre engsten Angehörigen belaste sie, wodurch sowohl der Spracherwerb als auch eine Arbeitsaufnahme erschwert würden.
Die Bundesregierung wird in dem Antrag zugleich aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem der Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten dem Nachzug zu Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen wird“. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion unter anderem Maßnahmen ergreifen, um die Visabearbeitung und Verfahren zur Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Menschen zu beschleunigen. (sto/hau/ste/06.06.2025)