Parlament

Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung

Polizisten am Flughafen.

(picture alliance/Frank Rumpenhorst/dpa)

Verwaltung ist unentbehrlich und allgegenwärtig. Besondere Wertschätzung wird ihr aber im Allgemeinen nicht zuteil, auch wenn manche Experten fasziniert sind von diesem „wohl komplexesten und subtilsten institutionellen Gebilde überhaupt“. „Verwaltung gilt bestenfalls als uninteressant“, konstatiert der Konstanzer Verwaltungswissenschaftler Wolfgang Seibel.

In gewisser Weise ist das paradox, denn Gesetze, über die vorher zuweilen leidenschaftlich gestritten wurde, werden für die Bürgerinnen und Bürger häufig erst spürbar, wenn die Verwaltung Entscheidungen des Parlaments konkretisiert und vollzieht – eine Baugenehmigung wird erteilt oder verweigert, der Steuerbescheid informiert über eine Rückerstattung oder eine Nachzahlung. Ob Geburtsurkunde oder Totenschein – Verwaltungshandeln begegnet den Bürgerinnen und Bürgern ein Leben lang. 

Verwaltungshandeln im Einklang mit dem Gesetz

Der grundlegenden Bedeutung von Verwaltung für den Einzelnen ebenso wie für ein funktionierendes Gemeinwesen hat der Verfassungsgesetzgeber durch Vorgaben für die Verwaltungstätigkeit, Zuständigkeits- und Organisationsregeln Rechnung getragen. Jedes Verwaltungshandeln muss nach dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) im Einklang mit dem Gesetz stehen. Sofern in Rechte der Bürger eingegriffen wird, muss sich die jeweilige Behörde zudem auf eine gesetzliche Grundlage stützen können.
Organisatorisch sieht das Grundgesetz eine Aufteilung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern vor. Der Verfassungsgesetzgeber knüpft damit an eine mehr als 200 Jahre alte Verwaltungstradition deutscher Territorialstaaten an. Nach der Reichsverfassung von 1871 war der Vollzug der Reichsgesetze grundsätzlich den Gliedstaaten zugewiesen. Auch nach der Weimarer Reichsverfassung waren die Reichsgesetze durch die Landesbehörden auszuführen. Die Aufgaben konnten allerdings durch einfaches Gesetz, also ohne Verfassungsänderung, an Reichsbehörden übertragen werden. Nach den Regeln des Grundgesetzes bedarf es dagegen einer Verfassungsänderung, um Verwaltungskompetenzen von den Ländern auf den Bund zu übertragen. 

Bürgernahe Aufgabenerledigung

Der Grundsatz, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben prinzipiell Sache der Länder ist (Art. 30), wird dadurch bekräftigt, dass die Länder – zusätzlich zur Ausführung der Landesgesetze – in der Regel auch für die Ausführung der Bundesgesetze zuständig sind, es sei denn das Grundgesetz selbst trifft eine abweichende Regelung oder lässt eine solche jedenfalls zu (Art. 83). Damit soll eine dezentrale, orts- und bürgernahe Aufgabenerledigung gewährleistet werden.

Dass der Bund Gesetze für einen bestimmten Bereich erlassen darf, begründet keine Vermutung dafür, dass diese Gesetze dann auch von einer Bundesbehörde ausgeführt werden. So sind für den Vollzug des Ausländerrechts grundsätzlich die Ausländerbehörden der Länder zuständig. Den Vollzug der Bundesgesetze nehmen die Länder in den meisten Fällen als „eigene Angelegenheit“ wahr (Art. 83 und 84), das heißt, sie richten die jeweiligen Behörden ein und regeln das Verfahren zum Vollzug der Gesetze. So soll sichergestellt werden, dass nicht der Bund in Länderzuständigkeiten eindringt.

Vollzug der Bundesgesetze

Allerdings sind die Länder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Bundesrecht eigenverantwortlich auszuführen. Einen Anspruch auf Verschonung der Landesbehörden aus personellen oder finanziellen Gründen gibt es nicht. Das bedeutet, dass der Bund die Länder durch seine Gesetze mit Verwaltungsaufgaben belasten kann. Der Aufwand für die Ausführung von Gesetzen spielt deshalb eine wichtige Rolle in Finanzverhandlungen von Bund und Ländern. 
Der Vollzug der Bundesgesetze kann auch so ausgestaltet sein, dass die Länder „im Auftrage des Bundes“ tätig werden (Art. 85). Der Bund hat dann mehr Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten auf den Vollzug der Gesetze, als wenn die Länder diese als „eigene Angelegenheit“ ausführen. Fälle der Auftragsverwaltung müssen aber im Grundgesetz ausdrücklich genannt oder jedenfalls zugelassen sein. So verwalten die Länder regelmäßig die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 3), das heißt sie tragen die Kosten für den Bau und die Unterhaltung.

Bundeseigene Verwaltung für die Bundesautobahnen

Eine abweichende Regelung trifft das Grundgesetz aber für die Bundesautobahnen. Für Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung des Autobahnnetzes ist der Bund selbst zuständig (Art. 90 Abs. 2 Satz 1). Die bundeseigene Verwaltung für die Bundesautobahnen hat der Verfassungsgesetzgeber erst 2017 eingeführt als Teil des Paketes, mit dem die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geordnet wurden.

Der Vollzug von Bundesgesetzen durch bundeseigene Verwaltung ist nur möglich, sofern das Grundgesetz dies anordnet oder zu einer entsprechenden Regelung ermächtigt. Beispiele für bundeseigene Verwaltung sind der Auswärtige Dienst und die Bundesfinanzverwaltung (Art. 87 Abs. 1 S. 1) sowie die Bundespolizei. Auch für Kernbereiche der Verkehrsinfrastruktur soll ein bundesweit einheitlicher Gesetzesvollzug sichergestellt werden, etwa für den Eisenbahnverkehr (Art. 87e Abs. 1 S. 1), die Bundeswasserstraßen und den Luftverkehr (Art. 87d Abs. 1 S.1).

Grenzen der Privatisierung

Die sozialstaatliche Bedeutung dieser Versorgungsbereiche wird dadurch unterstrichen, dass das Grundgesetz ihrer Privatisierung Grenzen setzt (Art. 90 Abs. 1) und zum Teil ausdrücklich ihre Bedeutung für das Gemeinwohl festschreibt (Art. 87e Abs. 4 S. 1). Damit soll sichergestellt werden, dass trotz der Liberalisierung, die durch Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts, auch bei der Post und Telekommunikation notwendig geworden war, staatliche Einwirkung und Verantwortung für existentielle Leistungen nicht gänzlich dem Wettbewerbsgedanken weichen.
Nach dem Grundgesetz hat der Bund seit den 1950er-Jahren außerdem den Verfassungsauftrag, eine wirksame militärische Landesverteidigung sicherzustellen (Art. 87a Abs. 1 S. 1). Für die Bundeswehr ist allein der Bund zuständig. Die Bundeswehr genießt Bestandsschutz. Welche Maßnahmen im Einzelnen notwendig sind, um eine funktionsfähige Verteidigung sicherzustellen, haben der Gesetzgeber und die anderen für das Verteidigungswesen zuständigen Bundesorgane jedoch in eigener Verantwortung nach weitgehend politischen Erwägungen zu bestimmen. (gel/01.05.2019)

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel

Kapitel

Präambel

1 - 19

Die Grundrechte

20 - 37

Der Bund und die Länder

38 - 49

Der Bundestag

50 - 53

Der Bundesrat

53a

Gemeinsamer Ausschuss

54 - 61

Der Bundespräsident

62 - 69

Die Bundesregierung

70 - 82

Die Gesetzgebung des Bundes

83 - 91

Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung

91a - e

Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit

92 - 104

Die Rechtsprechung

104a - 115

Das Finanzwesen

115a - l

Verteidigungsfall

116 - 146

Übergangs- und Schlussbestimmungen

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