Parlament

Das Finanzwesen

(picture alliance/imageBroker)

„Nichts in dieser Welt ist sicher, außer der Tod und die Steuern“, bemerkte Benjamin Franklin, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, 1789 in einem Brief an einen französischen Freund. Steuern sind von fundamentaler Bedeutung: für den Einzelnen, der sie zahlen muss, und für das Gemeinwesen, das hierzulande größtenteils aus Steuergeldern finanziert wird. Das Grundgesetz enthält einen eigenen Abschnitt zum Finanzwesen.

Die größtenteils sehr technischen Formulierungen lassen leicht vergessen, was dann das Bundesverfassungsgericht wiederholt in Erinnerung rief: dass die Finanzverfassung über ihre Ordnungsfunktion hinaus eine „Begrenzungs- und Schutzfunktion“ entfaltet. Wie viel Geld dem Bürger zur Verfügung steht, hängt entscheidend davon ab, in welcher Höhe Steuern zu entrichten sind.

Staatliche Einnahmen und Ausgaben

Das Grundgesetz bestimmt zwar, dass „eine Überbelastung der Steuerbürger“ zu vermeiden ist (Artikel 106 Absatz 3 Satz 4 Nr. 2), es enthält jedoch keine konkreten Vorgaben zur Steuerhöhe. Der Gesetzgeber hat hier also Gestaltungsspielraum. Begrenzt wird dieser Spielraum durch die Grundrechte, vor allem durch den Gleichheitssatz (Art. 3), die Eigentumsgarantie (Art. 14) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2). Da die Steuergelder nicht Gegenleistung für eine bestimmte Staatstätigkeit sind, kann der einzelne Steuerzahler jedoch nicht beanspruchen, dass seine Steuerzahlungen für bestimmte Zwecke verwendet werden. 

Im deutschen föderalen System teilen sich Bund, Länder und Kommunen die Verantwortung für staatliche Einnahmen und Ausgaben. Welche Ebene die Steuergesetze macht und wer welche Steuereinnahmen erhält, ist in der sogenannten Finanzverfassung (Art. 104a bis 108 des Grundgesetzes) geregelt. Zum Finanzwesen gehört außerdem die Haushaltswirtschaft. In Artikel 109 bis 115 ist festgelegt, nach welchen Regeln Bund und Länder ihre Haushalte aufstellen müssen. Zentrale Bedeutung hat das Budgetrecht des Parlaments (Art. 110). Die Bundesregierung darf Steuereinnahmen nur so verwenden, wie es das Parlament im Haushaltsplan bewilligt hat.

Trennsystem und Gemeinschaftssystem bei den Steuern

Historisch betrachtet, ist das Budgetrecht das entscheidende Instrument gegen staatliche Willkür. Immer noch gilt es als „Königsrecht“ des Parlaments, da durch die verbindlichen Ausgabevorgaben das Regierungshandeln gesteuert und kontrolliert wird. Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik, weshalb in der Haushaltsdebatte des Bundestages die grundsätzliche Auseinandersetzung über alle Bereiche der Regierungspolitik stattfindet. 
Wo es um viel Geld geht, da wird auch viel gestritten. Schon bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes gehörte das Finanzwesen zu den besonders kontroversen Kapiteln. Schließlich einigte man sich darauf, dass für einige Steuerarten ein Trennsystem zwischen Bund und Ländern und für einige besonders ertragskräftige Steuern ein Gemeinschaftssystem geschaffen werden sollte.

Nutznießer der Steuereinnahmen

Detaillierte Regelungen dazu finden sich in Artikel 106. Danach stehen dem Bund zum Beispiel die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer und den Ländern die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zu. Geteilt werden unter anderem die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer. Zu den Bundessteuern zählen zwar nach Artikel 106 Abs. 1 Nr. 1 auch die Zölle. Deren Aufkommen fließt jedoch mittlerweile ausschließlich der Europäischen Union zu. Der Verfassungsgesetzgeber hat diese veränderte Praxis bislang nicht im Grundgesetz korrigiert.

Im Übrigen aber sind die Regelungen zum Finanzwesen mehrfach einschneidend verändert worden. Stets handelte es sich bei den Reformvorhaben um kontroverse politische Großprojekte, bei denen nicht nur um viel Geld, sondern auch um Fragen der Verantwortung und der Autonomie im Bund-Länder-Verhältnis gestritten wurde.

Die Schuldenbremse

Nach dem ersten größeren Konjunktureinbruch in Nachkriegsdeutschland wurde mit der Finanzreform von 1969 der kooperative Föderalismus ausgebaut. In den folgenden Jahrzehnten mehrten sich jedoch Klagen, dass eine zunehmende „Politikverflechtung“ die Lösung von Problemen behindere. Die Föderalismusreform von 2006 war der erste Schritt, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu zu ordnen. Offen geblieben war jedoch eine umfassende Neuregelung der Finanzbeziehungen. Diese sollte mit der Föderalismusreform II folgen.

Man konzentrierte man sich dann aber 2009 im Wesentlichen auf die Einführung der sogenannten Schuldenbremse, die langfristig solide Staatsfinanzen sicherstellen soll. Bei konjunktureller Normallage müssen die öffentlichen Haushalte grundsätzlich ausgeglichen sein (Art. 109 Abs. 3 Satz 1). Für den Bund – nicht aber für die Länder – genügt zur Einhaltung des Verschuldungsverbots, wenn die Einnahmen aus Krediten in der konjunkturellen Normallage 0,35 vom Hundert des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten (Art. 109 Abs. 3 Satz 4).

Die Politik der „schwarzen Null“

Der Bund hat seit 1969 zum ersten Mal im Haushaltsjahr 2014 keine neuen Schulden mehr aufgenommen, um die laufenden Einnahmen zu decken. Die Politik der „schwarzen Null“ wurde auch in den Folgejahren eingehalten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die Absicht bekundet, diese Linie fortzusetzen. Mittlerweile mehren sich jedoch Stimmen, die eine Lockerung der Schuldenbremse fordern, damit der Bund mehr investieren könne. 
Unterdessen ist die Finanzordnung 2017 abermals grundlegend geändert worden. Eine Neuregelung war nötig, da der Bund-Länder-Finanzausgleich und der Solidarpakt II mit Ostdeutschland nur bis Ende 2019 galten. Das bisherige System des Länderfinanzausgleichs, nach dem die reicheren Geberländer die ärmeren Nehmerländer finanziell unterstützen, wurde abgeschafft. Stattdessen verteilt der Bund von 2020 an zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede rund 10 Milliarden Euro jährlich an die Länder (vgl. Art. 106 und 107).

Kooperationsverbot im Bildungsbereich gelockert

Dafür enthält der Bund mehr Kompetenzen, Steuerungs- und Kontrollrechte bei der Gewährung von Finanzhilfen an die Länder (Art. 104b Abs. 2 und 3). Im Zuge der Reform von 2017 wurde außerdem das sogenannte Kooperationsverbot im Bildungsbereich gelockert. Eigentlich darf der Bund die Länder bei der Erfüllung ihrer Bildungsaufgaben nicht unmittelbar finanziell unterstützen. Angesichts des erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarfs an Schulen wurde jedoch in einem neu eingefügten Art. 104c festgelegt, dass der Bund künftig entsprechende Investitionen in finanzschwachen Kommunen finanziell fördern darf (Art. 104c).

Allerdings wurde die Vorschrift schon Anfang 2019 mit der Einigung über den sogenannten Digitalpakt wieder geändert. Danach gewährt der Bund Finanzhilfen „zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur“, vor allem der digitalen Infrastruktur, und zwar auch für Kommunen, die nicht finanzschwach sind. Die Finanzverfassung wurde außerdem um einen neuen Artikel 104d ergänzt, in dem die Mitfinanzierung des Bundes beim sozialen Wohnungsbau wieder eingeführt wurde, die man 2006 gestrichen hatte, um die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern klarer zu ordnen.

„Aufgaben möglichst optimal verteilen“

Insgesamt haben die jüngsten Änderungen die Grundkonstruktion der Finanzverfassung, dass jede staatliche Ebene die Finanzierung der ihr zugewiesenen Aufgaben übernimmt, weiter geschwächt. Stimmen in Politik, Wirtschaft und Rechtswissenschaft fordern deshalb, es sei höchste Zeit für eine „echte“ Reform.

Selbstkritisch mahnt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Ziel müsse es sein, „nicht nur Finanzmassen hin und her zu schieben, sondern darüber nachzudenken, wie wir die Aufgaben möglichst optimal verteilen“. (gel/01.05.2019)

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel

Kapitel

 

Präambel

1 - 19

Die Grundrechte

20 - 37

Der Bund und die Länder

38 - 49

Der Bundestag

50 - 53

Der Bundesrat

53a

Gemeinsamer Ausschuss

54 - 61

Der Bundespräsident

62 - 69

Die Bundesregierung

70 - 82

Die Gesetzgebung des Bundes

83 - 91

Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung

91a - e

Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit

92 - 104

Die Rechtsprechung

104a - 115

Das Finanzwesen

115a - l

Verteidigungsfall

116 - 146

Übergangs- und Schlussbestimmungen

Marginalspalte